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Der Hecht im Poleyer Oberteich bei Sallgast

  R. Scharnweber & O. Jungrichter: Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau, Berlin 1933

Der Mühlenpächter Jentsch war wie seine Vorfahren ein großer Fischfreund. Deshalb züchtete er im sogenannten Samenteich unzählige kleine Karpfen. Später brachte er sie in die Mühlenteiche und besonders nach dem Oberteich, der weiter westwärts im Walde lag nach Sallgast zu.

Aber die Fische wollten im Oberteiche nicht gedeihen. Es wurden zusehends weniger. Bis man endlich den Fischräuber in einem riesigen Hecht entdeckte. Der Hecht verschonte weder Fisch noch Frosch noch sonstige Lebewesen.

Der Teich lag bald wie ausgestorben da. Von der Schloßfamilie bis zum jüngsten Hütejungen wagte es niemand mehr, darin zu baden. Die Müllergesellen waren eifrig bemüht, mit Netzen den Teich zu durchstreifen. Aber alle Mühe war vergeblich. Das Netz zerriß der Hecht als ob es Spinngewebe wäre. Da versuchte Jentsch den Teich trocken zu legen, in dem er den Damm durchstach und die Gräben nach der Mühle sorgfältig reinigte. Aber die Heidemännchen des Poleyer Waldes öffneten in der Nacht geheime Quellen und frühmorgens war der Teich wieder zum Überlaufen voll. In seiner Besorgnis wandte sich der Pächter an den Schloßherrn und bat ihn um Rat und Hilfe. Letzterer setzte eine große Belohnung aus für den, der ihm den Hecht lebendig bringe.

Ein zufällig zugereister Müllergeselle, der schon manches Abenteuer auf seiner weiten Wanderschaft hinter sich hatte,meldete sich, um diese Heldentat zu vollführen. Er ließ sich sogleich vom Gutsschmied einen riesigen Angelhaken herstellen und der Seiler aus Finsterwalde stellte als Angelschnur ein starkes Seil aus Hanf her. Er selbst aber ließ sich in eine Fischhaut nähen, so daß er einem Karpfen täuschend ähnlich sah. Er legte sich in den Teich hinein. Als der Hecht seiner ansichtig wurde, war er sichtlich über den fetten Bissen erfreut. Pfeilschnell stieß er auf ihn zu.

Aber oh weh! Der Geselle hatte mit der rechten Hand den Angelhaken tief in den Rachen des Fisches hinein gebohrt. Die Müllerburschen aber zogen mit Leibeskräften den Hecht aufs Trockene. Mit wuchtigen Hammerschlägen betäubte und tötete der Gutsschmied den langersehnten Fischräuber. Vom großen Jubel der Zuschauer begleitet, wurde er auf einem Wagen in die Mühle gebracht. Dort gab es noch wochenlang frisches und gesalzenes Hechtfleisch zu essen.

Wenn die Bauern der Umgegend ihr Getreide in die Mühle brachten, trieb sie die Neugierde in die Gesindestube: Dort wurde der Kopf des Riesenfisches mit seinen scharfen Zähnen jedermann gern gezeigt. Der Schloßherr aber belohnte den Gesellen mit einem Beutel reinsten Goldes und überall in der Gegend stand er im höchsten Ansehen.

Quelle: E.H.Wusch: Sagen meiner Heimat, eine Sammlung mündlich übertragener Sagen der Lausitz