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Die Hexengeschichte aus Saßleben

  Edmund Veckenstedt, Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche

In Saßleben wohnte vor langer Zeit ein Schulehrer, welcher eine sehr böse Nachbarin hatte. Die Frau war im ganzen Dorf als Hexe verschrien.

Eines Abends musste der Lehrer zu später Stunde im Auftrage des Dorfschulen nach Calau gehen, um dort einen wichtigen Brief zu übergeben. Beim nach Hause gehen traf er gegen Mitternacht auf einem Kreuzweg eine dunkle Gestalt, welche vor seinen Augen bald größer, bald kleiner wurde. Plötzlich sprang sie mit Heftigkeit auf ihn zu. Sie schnürte ihm den Hals so zusammen, dass der Lehrer Furcht bekam, sie werde ihn erwürgen. In seiner Angst nahm er den Knotenstock und schlug aus Leibeskräften auf den Spuk los. Die Schläge klangen, wie wenn sie auf einen alten Topf fielen. Plötzlich verschwand der Spuk. Nur in der Ferne hörte der Lehrer noch ein Rauschen.

Ganz matt kam er zu Hause an und erzählte den Seinen, was ihm begegnet sei. Da öffnete sich schnell die Tür. Die älteste Tochter der Nachbarin kam ganz bleich hinein und sprach: „Mein Gott, wir wissen gar nicht, was wir mit unserer Mutter anfangen sollen. Sie gebärdet sich in ihrem Bette wie wahnsinnig. Fing auf einmal an fürchterlich zu schreien und zu toben, als wenn sie große Schmerzen hätte. Ihr Rücken und ihre Arme sind grün und blau geschlagen.

Da wusste der Schulmeister gar wohl, was mit der Nachbarin los war. Ihr Geist war im Felde gewesen und hatte die Gestalt angenommen, welche ihn belästigte, während ihr Leib ruhig im Bett lag.

Quelle: Günter Kalliske, Die Calauer Schweiz, REGIA-CO-WORK, 2019