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Priestergeist im Kölner Dom

Ein Chorknabe war einmal im Dom eingeschlafen und erwachte erst spät in der Nacht. Da an Herauskommen aus der Kirche nicht mehr zu denken war, setzte er sich vor der großen Tür des Chores nieder, um den Morgen abzuwarten. Kaum hatte es aber zwölf Uhr geschlagen, als er das Glöckchen an der Sakristei läuten hörte. Gleich darauf sah er einen Priester im Messgewand und mit dem Kelch in der Hand sich dem Altar rechts neben der großen Glastür nähern. Er wartete noch einen Augenblick, um zu sehen, ob denn kein Knabe käme, um die Messe zu dienen. Da er keinen bemerkte, ging er selbst in die Sakristei, wo ein Licht brannte, holte das Messbuch und diente dem Geistlichen die Messe von Anfang bis zu Ende. Nachdem der Priester das Evangelium Johannis gelesen hatte, wollte der Chorknabe das Buch fassen, um in die Sakristei zurückzukehren, aber der Priester hielt ihn zurück, indem er sprach: »Nun danke ich Gott, dass ich erlöst bin. Auf dich habe ich schon hundert Jahre gewartet.« Und mit den Worten verschwand er.

Der Chorknabe hatte seit der Zeit Vorsput in allen Dingen und ist als alter Mann und als erster Domküster gestorben.

Quellen: