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Der Schulmeister und die Teufelskuh

  bei Drebkau

In einem Dorfe nicht weit von Drebkau lebte in alten Zeiten ein Schulmeister. Derselbe war ein finsterer, strenger Mann, so dass man ihn nur den bösen Schulmeister nannte. In seinem Garten und auf seinem Ackerstück gedieh Alles vortrefflich, und obschon er nur eine magere Kuh hatte, so verkaufte er doch stets die meiste Butter aus dem ganzen Dorfe nach der Stadt. Als die Bauern das merkten, wollten sie alle die Kuh sehen. Diejenigen, denen das glückte, wunderten sich über die feurigen Augen der Kuh, ihre grossen Nüstern, die langen, spitzen Ohren und den gekrümmten Schwanz.

Als die Frau des Schulmeisters gestorben war, verrichtete der Schulmeister alle Arbeit in seiner Wirthschaft allein. Eines Tages war er beim Melken. Seine Nachbarin, welche neugierig war, sah durch eine Ritze in den Stall nach der Kuh. Da sah dieselbe, dass die Kuh an einem Stricke kauete, welcher ihr über den Rücken herabhing. Wenn der Schulmeister an dem Ende des Strickes zog, strömte die Milch nur so aus dem Strick in den Milcheimer hinein: wenn sich aber die Kuh umsah; so funkelten die reinen Teufelsaugen in ihrem Kopfe. Die Frau erzählte im Dorfe, was sie gesehen hatte; seit dieser Zeit hiess die Kuh die „Teufelskuh„.

In demselben Jahre, wo dies geschehen war, erhob sieb am siebenten Sonntage nach Trinitatis ein schweres Gewitter. Die Luft war schwül und drückend. Als der Schulmeister in den Stall kam, um die Kuh zu melken, wurde dieselbe von den Fliegen arg belästigt. Um sich vor den Hieben des Schwanzes, mit welchen die Kuh die lästigen Fliegen abwehrte, zu schützen, knöpfte der Schulmeister den Schwanz der Kuh in seinen Rock ein. Nun aber war an ein Melken nicht mehr zu denken. Die von den Fliegen gepeinigte Kuh riss sich von der Krippe los und stürmte zum Stall hinaus, die Strasse entlang zum Dorfe hinaus, den Schulmeister immer hinter sich herziehend. Die Bäuerinnen riefen dem Schulmeister zu: „O mein Gott, o mein Gott!“ Am Ende des Dorfes stand der Schulze, der rief: „Herr Schulmeister, wo wollen Sie denn zu?“ „Das weiß der Teufel und meine Kuh!“ antwortete der Schulmeister — und weiter ging es durch Dick und Dünn, über Stock und Stein, durch Wald und Sumpf. Endlich war die Kuh mit dem Schulmeister verschwunden. Niemand hat mehr von den Beiden etwas gehört noch gesehen.

Der Weg, auf welchem die Kuh mit dem Schulmeister verschwunden ist, heisst noch heute der Teufelsweg; noch heute wird in dem betreffenden Dorfe am siebenten Sonntag nach Trinitatis jährlich ein Dankgottesdienst gefeiert.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880