<<< vorheriges Märchen | XXI. Weitere Märchen | nächstes Märchen >>>

Der Zauberlehrling II

  bei Vetschau R. 

Ein Vater hatte einen Sohn. Eines Tages sprach er zu ihm: „Ein Handwerk sollst Du nicht lernen, wohl aber die schwarze Kunst“ Deshalb gab ihn der Vater zu einem der mächtigsten Zauberer, welche im Lande waren, in die Lehre. Vier Jahre sollte er bei diesem bleiben und dann wieder zu ihm zurückkehren. Die Zeit der Rückkehr kam heran und der Vater wollte seinen Sohn vom Zauberer abholen. Da sandte der Sohn einen geheimen Boten an seinen Vater und liess ihm Folgendes bestellen: „So ganz ohne Weiteres wird der Zauberer mich nicht freigeben, er will eine sehr grosse Belohnung für seine Dienste haben. Wenn Ihr zu dem Zauberer kommt, wird er Euch eine Stube voll junger Raben zeigen, welche dort auf langen Stangen sitzen. Ich werde ungefähr der zwölfte in der Reihe sein und werde mir mit dem rechten Beine am Schnabel reiben. Den Raben sollt Ihr dann verlangen, und eilig mit ihm davon gehen.“

Der Vater kam zu dem Zauberer hin und fragte nach seinem Sohn, „Ja“ sagte der Zauberer, „bekommen könnt Ihr ihn, aber Ihr müsst ihn mir bezeichnen; könnt Ihr das nicht, so ist er mein.“ Darauf führte er ihn in ein Zimmer, in welchem die Raben waren. Der Vater forderte richtig den, welcher sich mit dem Beine am Schnabel rieb. Eilig nahm der Vater den jungen Raben und ging nach Hause, unterwegs sprach der Vater: „Sei mein Sohn.“ Sofort ward aus dem Raben ein schöner Jüngling.

Auf dem Heimwege kamen sie in ein Städtchen, in welchem gerade Pferdemarkt war. Da sprach der Sohn: „Vater, hier können wir gute Geschäfte machen; ich werde mich in ein Pferd verwandeln und Du kannst mich dann auf dem Markt verkaufen, aber lass Dir ja den Halfter wiedergeben.“ Kaum hatte er das gesagt, so verwandelte sich der Sohn auf einmal in einen schwarzen Rappen. Der Vater führte denselben in die Stadt zu Markte und verkaufte ihn auch bald. Der Alte steckte seine Halfter in die Tasche und ging seines Weges.

Er hatte sein Grundstück noch nicht erreicht, als der Sohn wieder vor ihm stand. Sie belachten den guten Verdienst und wie sie den Käufer um sein Geld geprellt hätten.

Fortan bezogen sie mehrere Jahre hindurch alle Märkte der Umgegend, und der Vater prellte viele Leute um ihr schönes Geld. Endlich aber hatte dem Sohne doch die Stunde geschlagen. In einer grossen Stadt nämlich war Pferdemarkt; Vater und Sohn gingen dorthin. Kurz vor der Stadt verwandelte sich der Sohn in einen Fuchs; der Alte führte denselben zum Stadtthore hinein. Es dauerte auch nicht lange, so kam ein sehr dicker Viehhändler und handelte um das Pferd. Der Mann verkaufte es, aber ehe er noch den Halfter abnehmen konnte, war der Händler schon mit dem Pferde eine Strecke fort. „Na,“ dachte der Bauer, „mein Sohn wird sich schon wieder einfinden.“ Der Händler aber führte das Pferd schnell zur nächsten Schmiede, um es beschlagen zu lassen; dort band er es an einen Pfahl, welcher vor der Schmiede war. Darauf ging er in den Gasthof, um ein Glas Bier zu trinken, während mehrere Kinder vor der Schmiede standen und sich das schöne Pferd besahen. Das Pferd sprach auf einmal zu einem Jungen, welcher ganz in seiner Nahe stand: „Mache mir doch mal den Halfter los.“ Da sagte der Junge zu den andern Kindern: „Nun hört blos mal, das Pferd kann gar sprechen“; furchtsam ging er zur Seite. Das Pferd aber sprach nochmals: „Macht mir doch den Halfter los.“ Da trat endlich ein Junge heran und machte dem Pferde den Halfter los, und husch — lief das Pferd in das Feld.

In dem Augenblick trat der Mann aus dem Gasthaus. Sofort verwandelte sich das Pferd in eine Taube und der Mann in einen Habicht. Lange kreisten die Beiden in der Luft herum, als auf einmal der Habicht auf die Taube losschoss. Sofort verwandelte sich die Taube in eine Maus und aus dem Habicht wurde ein schwarzer Kater. Die Maus lief in ein Loch und der Kater setzte sich davor.

Endlich steckte das Mäuschen den Kopf zum Loche heraus und siehe, eins, zwei, drei hatte der Kater das Mäuschen erwischt und aufgefressen. Also hatte der Satan den Sohn doch endlich geholt.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880