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Das vortreffliche Mittel

  Werben

In Werben hatten einmal zwei Eheleute eine einzige Tochter. Der Tochter war der Tod schon in ihren jungen Jahren, als sie noch nicht lange verheirathet war, beschieden. Dies ging ihrer Mutter so zu Herzen, dass sie erkrankte und ihren Verstand verlor. Ueberall suchte man Rath und Hülfe, aber Alles war vergeblich. Endlich gab Jemand den folgenden Rath: „Nehmet einen neuen Topf mit einem Deckel, darin kochet ein Mass Wein mit dem Kraute, das ich Euch gebe, davon mag sie trinken, den Topf aber mit dem Reste des Gekochten muss ein Mann nehmen und an den Fluss tragen; dort muss er ihn in das tiefe Loch werfen, in welches das Wasser vom Mühlrade abläuft. Bei diesem Gange darf er sich aber nicht umsehen. Die Leute kochten das Kraut in dem Weine. Als die kranke Frau von dem Gekochten getrunken hatte, trug ein Mann aus der Verwandtschaft den Topf zur Burger Mühle und warf ihn in den Mühlgraben. Als er darauf nach Hause ging, sah er auf dem Wege plötzlich ein Pferd ohne Kopf. Das Pferd lief ihm nach, hob auch die Vorderfüsse in die Höhe, als wollte es auf seinen Rücken springen, er aber sah sich nicht um und so geschah ihm nichts. Als er näher an das Dorf gekommen war, flog plötzlich eine Schaar Kiebitze in die Hohe; das war um so sonderbarer, als es Winter war. Die Kiebitze flogen um seinen Kopf und machten ein Geschrei, das war grässlich, aber dennoch sah der Mann sich nicht um. Als er heimkam, war die Frau gesund und bei gutem Verstände.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880