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Das Häuschen aus Pfefferkuchen

  Mischen

Ein armer Fischer hatte mit seiner Frau und seinen drei Kindern kaum so viel, dass er davon leben konnte. Darum beschloss er, sich der beiden ältesten Kinder, eines Knaben und eines Mädchens, zu entledigen. Er gebot ihnen deshalb, sie sollten, wenn er zum Fischen gegangen sei, sein Mittagsbrod an den Teich bringen. Weil aber der Weg durch einen grossen Wald führte, so wolle er Erbsen streuen und ihnen so den Weg bezeichnen.

Als es Mittag geworden war, gingen die Kinder mit dem Essen fort; nachdem sie aber eine Weile dem Weg, welcher mit Erbsen bestreut war, gefolgt waren, hörte derselbe plötzlich auf und die Kinder geriethen in die Irre. Endlich kamen sie an ein Häuschen, das war ganz aus Pfefferkuchen gebaut. Da fingen die Kinder an davon zu essen. Drinnen aber wohnte eine Frau, welche Jeden umbrachte, der sich ihrem Hause näherte. Sie schickte, als sie hörte, dass die Kinder von ihrem Häuschen assen, die Magd hinaus, welche sie in die Stube holen sollte. Die Magd aber hatte das Leben bei der Frau satt, sie erzählte den Kindern eilends, was ihnen bevorstehe und gab denselben auch gute Rathschläge, wie sie der Gefahr entgehen konnten. Darauf kamen die Kinder in das Zimmer der Alten. Diese sperrte sie in einen Stall ein, in welchem sie gemästet werden sollten. Hier bekamen sie so viel zu essen und zu trinken, als sie nur wollten.

Von Zeit zu Zeit wollte die Alte sehen, ob die Kinder fett genug wären, um gegessen zu werden: sie forderte also den Knaben auf, seinen Finger zum Gitter herauszustecken: der aber hatte ein Stöckchen geschnitzt und steckte das hinaus. So fählte sich der Finger immer mager an. Endlich aber hatte es die Frau satt, noch länger zu warten; deshalb befahl sie dem Knaben, er solle aus dem Stalle herauskommen. Da fand es sich denn, dass er ganz fett war. Die Frau wollte ihn nun braten; deshalb führte sie ihn zum Backofen und forderte ihn auf er solle sich auf den Schieber setzen, dann wollte sie ihn in den Backofen schieben, dort möchte er nachsehen, ob die Brode gut wären.

Der Knabe that, wie ihm befohlen war; er wollte sich auf den Schieber setzen, stellte sich aber dabei so ungeschickt an, dass die Frau endlich sagte, sie wolle es ihm vormachen, wie er sitzen müsse, er solle vom Schieber heruntergehen. Kaum sass die Frau auf dem Schieber, so stiess sie der Knabe in den Ofen hinein, schloss die Thür desselben zu und machte mit Hülfe der Magd und seiner Schwester, welche er sogleich befreite, ein solches Feuer an, dass die alte Frau im Ofen verbrennen musste. Darauf untersuchten alle drei, was die Alte hinterlassen hatte; da fand sich denn soviel an Gold und Kostbarkeiten, dass mehrere Fuhren nöthig waren, um Alles wegzuschaffen. So wurden alle drei reich und lebten fortan glücklich.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880