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Was der Bergmönch früher war

Der Bergmönch ist früher ein Bergmeister gewesen. Er hat solche Freude am Bergbau gehabt, dass er im Tode den lieben Gott gebeten hat, er möge ihm statt der seligen Ruhe im Himmel lieber die Erlaubnis geben, bis auf den Jüngsten Tag in Berg und Tal und Gruben und Schächten umherzufahren und den Bergbau zu beaufsichtigen. Diese Bitte ist ihm gewährt. Der Bergmönch erscheint den Menschen in der Kleidung eines Bergmeisters mit einem silbernen Grubenlicht. Seine Beschäftigung ist diese: Er durchfährt alle Stollen, durchspürt jeden Bau, geht auch über Tage an solchen Stellen, an welchen Erzgänge liegen, hin und her, und zwar bald langsam, bald schnell wie der Blitz. Bisweilen setzt er sich auf die Kunstgestänge oder er hält sie auf oder er drillt auch die Wasserräder, je nachdem seine Laune ist, oder je nachdem er den Schützer leiden mag oder nicht. Er tritt manchmal aus dem festen Gestein heraus, in den Gruben, und das feste Gestein tut sich wiederum auch vor ihm auf, und ist er hineingetreten, schließt es sich hinter ihm so fest, dass keine Spur bleibt. Man hat ihn des Nachts oft aus alten Stollenmundlöchern und aus alten Pingen, auch aus den engsten Räumen der Radstube herauskommen und in derselben wieder verschwinden sehen. Wem er gut ist, dem tut er manchen Gefallen, macht ihm Geschenke und erscheint ihm in Menschengestalt und in Menschengröße. Wenn er böse ist oder wo er sich unbeachtet glaubt oder sich um das Auge des Menschen nicht kümmert, erscheint er in seiner wahren Gestalt. Dann ist er riesengroß, gekleidet wie ein Geschworener. Seine Augen sprühen Flammen und sind so groß wie Kutschenräder, sein silbernes Grubenlicht ist so groß wie ein Scheffel, und die Flamme desselben ist von entsprechender Größe und Helle, seine Beine sind wie Spinngewebe. Wenn ein Bergmann seine Pflicht nicht tut, gibt er ihm den Rest.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883