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Holzweiblein's Freunde und Feinde

  Büsching I. 148. Gräve S. 57. Preusker I. S. 52. K. Haupt, 1. c. No. 18.

Oft sitzen die Holzweiblein spinnend oder Strümpfe strickend auf den Kreuzwegen. Wenn sie im Busche herumwandern, so haben sie gewöhnlich eine Hocke Holz auf dem Rücken und stützen sich auf einen langen Stab; immer aber sind sie alt, häßlich und zusammengeschrumpft.

Sie sind für gewöhnlich gutmüthig, aber wer sie etwa häßlich nennt, den hauchen sie an, daß er Beulen ins Gesicht bekommt, oder hocken ihm auf, wovon er lahm wird. Für gute Behandlung hingegen und freundliche Worte sind sie aber gar dankbar, theilen Gespinnste und Strickwaaren aus, die sich wunderbar vermehren und Glück und Segen ins Haus bringen. Sie helfen fleißigen Spinnerinnen beim Weifen und Garnwinden und machen wohl auch kostbare Geschenke. Aber nur uneigennützige, fleißige und gefällige Menschen erfreuen sich ihrer Gunst.

Ihr ärgster Feind ist der Nachtjäger. Wo er sie sieht, jagt er ihnen nach und treibt sie herum, daß sie vor Angst nicht wissen was sie thun sollen. Ihr einziges Rettungsmittel ist so bald als möglich einen abgehauenen Baumstumpf zu erreichen. Wenn sie sich darauf setzen und sagen: „Gott sei gedankt!“ oder: „Gott sei gelobt!“, so muß sie der Nachtjäger in Ruhe lassen.

Anmerkungen: Man bemerke, daß die im Busche hausenden Zwerge sich in etwas von ihren bergbewohnenden Genossen unterscheiden. Sie erscheinen hier nicht mehr als Volk, sondern vereinzelter und mit individuellen Merkmalen. Es ist der Einfluß des individualistrenden Pflanzenreichs, der ihren gebirgischen Charakter alterirt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862