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Die Heinchen

  N. L. Mag. 1823 S. 63, 1832 S. 546. 
  Gräve S. 179. 
  Variscia 2. 101. 
  K. Haupt, l. c. No. 7. u. 8.

1.

In der Gegend von Niemitzsch geht die Sage, daß das Land zuerst von Heinchen (Hainchen) bewohnt gewesen wäre. Dies waren kleine, fromme, friedliebende Leute. Es kamen aber die Schafe mit ihren Schafglöcklein, die vertrieben mit ihrem Geläute die Heinchen. Da flüchteten diese unter die Erde, bauten daselbst die Heinenhäuser, und wenn Landleute in ihre Nähe kamen, da baten sie dieselben flehentlich, ihre Heinenhäuser zu verschonen; zum Danke schenkten sie den Bauern Brod von den Früchten der Brodbäume.

2.

Auch bei Nieda im Görlitzer Kreise kennt das Volk Heinenhäuser und eine Heinenmauer. Oft sieht man kleine Flämmchen aus diesen Heinenhäusern aufsteigen. Das kommt von den unterirdischen Werkstätten der Schlosser und Schmiede, denn die Heinchen sind fleißige und arbeitsame Leute, die auch den fleißigen Menschen zugethan sind. Legt ein solcher etwas ihm Eigenes, etwa einen Knopf, einen Pfennig, ein Stückchen Leinwand auf die Feueresse der Heinchen, so findet er am andern Morgen auf jener Stelle ein werthvolles Gegengeschenk, Ackergeschirr, Bleche, Messing- und Kupfergeräthe. Einem faulen und arbeitscheuen Menschen aber werden in solchem Falle nur ausgebrannte Kohlen oder schlechte Schlacken zu Theil.

Anmerkungen:

1. Heinchenhäuser heißen bei Wellersdorf in der Nähe von Sorau die Todtenhügel, welche im Norden dem Namen Hünengräber haben.

2. Zwerge sind Schmiede und Metallarbeiter. Der Schmied Wieland ist ihr König (W. Grimm, Heldensage S. 388.); sie schmieden bekanntlich den nordischen Asen ihre Waffen, den ackerbauenden Lausitzern (oder aber als mythologisirte Wendenschmiede) natürlich Pflüge. In Schleswig-Holstein hören die Bauern das Schmieden der Zwerge. Ein Bauer rief einst im Vorüberreiten, sie sollten ihm doch ein neues Messer machen. Bei der Zurückkunft fand er ein solches, aber die damit geschnittenen Wunden waren unheilbar. (Müllenhoff No. 386.) Ob den Metallgeschenken der lausitzischen Heinchen eine besondere Kraft zugeschrieben wird, habe ich nicht ermitteln können. Daß die Brodgeschenke der Querxe Talismane von Familien werden, haben wir bereits gesehen.

3. Die Sage gedenkt der Heinchen mit einer gewissen großmüthigen Wehmuth und vergilt so gewissermaßen im Munde unsrer friedlichen Bauern, was die blutige Mission deutscher Krieger zur Zeit der Ottonen an den Heiden der Lausitz verschuldet hat.

4. Der Name Heinchen ist schwierig zu deuten, am meisten ist mit ihm der Zwergname Heinzelmännchen verwandt. a. Heinen sind verwandt mit Hünen, Zwerge und Riesen gehen in einander über. Beide Geschlechter haben vieles gemein, z. B. das Kegelschieben (siehe oben). Heinen gräber = Hünengräber, Heinenhäuser heißen weiter nördlich Hünenhäuser u. s. f. b. Heinchen sind vielleicht Bewohner der Haine, Waldzwerge. c. Hein bedeutet auch einen Götzen, wenigstens ein Götzenbild. Unter dem Burg berge bei Bernstadt liegt ein goldner Hain. Zwerge sind die Nachkommen der Götter. Heißt der Götze so vom Walde, in dem er angebetet wurde? Schwerlich. Es spricht dagegen die Zusammensetzung Hainwald (in Görlitz) und Haynewalde (bei Zittau). d. Der Tod heißt auch Freund Hein, ebenso wie die Göttersteine kurzweg Todtensteine heißen (No. 18. und 19.). Dies stimmt auch mit dem Zwergenbegriffe, denn Zwerge werden als Verstorbene betrachtet, die Seelen der Verstorbenen werden däumlingartig vorgestellt und abgebildet. e. Darauf ist auch wohl die Steinkeule des Riesen Hrimgir, Namens hein, zurück zu führen; als sie geworfen wurde und in der Luft mit Thors Hammer zusammen fuhr, brach sie und ein Theil fiel zu Boden. Davon sollen alle Heinberge herkommen. Sn. 108. 109. Hein ist ein Todtenhammer, der in der Sage durch Thors Hammer zerschmettert wird, weil dieser das Symbol des Lebens ist. Das Ganze bezeichnet den Sieg des Lebens über den Tod. So schließt sich der Kreis und wir kommen nicht weiter, da uns Götter und Riesen, Wald und Tod und Zwerg mit demselben Namen äffen.

5. Hain ist aber = Hagen (oberlausitzisch Woin für Wagen, soin für sagen u. s. w. und viele andere Parallelen im Hochdeutschen). Hagen, hegen, bedeutet umzäunen (Hecke), abgrenzen, absondern. Alles Abgesonderte ist heilig, äytog; daher ist dem Worte Hain an sich Heiligkeit eigen, sowohl in der Bedeutung von Wald: jeder Hain ist ein zu hei ligen Zwecken abgegrenzter Wald, als auch in Bezug auf Personen, Götter und Priester, hebr. FS (von demselben Stamme wie ayios mit Umsetzung der Gutturalen). Sind nicht die Zwerge vertriebene Priester? Aber diese Absonderung ist keine amachoretische, einsiedlerische, denn dem Stamme hag wohnt nicht nur die Bedeutung der selectio, sondern auch der collectio inne. Die Gemeinde ist heilig. ST im Hebräischen, von demselben Stamme wie TS, Priester, ist die heilige Gemeinde, die zusammengerufene, deUll »TD heißt zusammenrufen. So treten auch die Zwerge als Volk, als Gemeinde auf. Auch im Deutschen bedeutet Hecken ein Zeugen und Gebären mehrer Jungen, die Gründung einer Thierfamilie und wird daher besonders von den nesterbauenden und viele Junge brütenden Vögeln gebraucht. Hein als Tod (der grimme Hagen der Nibelungen, der vernichtende Hagel) scheint freilich diesen so trefflich zusammenstimmenden Ableitungen fern zu stehen, wie er denn auch aus dem hohen Norden zu uns gekommen ist.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862