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Ein Gubener bei Erschaffung der Welt

  Sauffe, im Gubener Wochenblatt 1862 No. 62., 
  nach Jeremias Barth.

Man sagte ehemals von den Gubenern, sie hätten die üble Angewohnheit, sich in Alles zu mischen und überall mitzureden und sie seien vorlaute, neugierige und großsprecherische Leute. Daher entstand das spöttische Sprüchwort: Gubener sind überall dabei gewesen, auch bei Erschaffung der Welt.

Nachdem nämlich Gott der Herr die Welt erschaffen hatte, besichtigte er sie und fand, wie das so jedem Meister zu geschehen pflegt, hier und da noch Manches auszubessern. Eben kürzte er dem Pferde die Ohren, das vorher eben so lange wie der Esel hatte, da wanderte ein Mann singend vorüber. Woher des Weges? frug der Herr. Woher? - Nun, woher denn anders als aus Guben? antwortete der Mann. Rathe mir, Freund Gubener, sprach der Herr, soll ich dem Pferde einen vollen Huf geben oder einen gespaltenen. Einen vollen! antwortete der Mann. Die rasche Antwort gefiel dem Herrn. Warum? frug er weiter. Das Pferd, jagte der Mann, soll fest auftreten, um seinem Reiter in den Kampf zu tragen. Da darf es nicht latschen wie ein Ochse. Die Antwort gefiel dem Herrn. Er gab dem Pferde starke volle Hufe und schwang sich mit seinem Hammer auf dasselbe, das ihn davon trug eilenden Fluges.

Aus dem grünen Grase hob eine Schlange den Kopf und zischelte: Weißt Du auch, wer mit Dir geredet hat? Was geht's Dich an, Du Bauchkriecher? erwiderte der Gubener, Du wirst es nicht besser wissen als ich. Ja doch, sagte die Schlange heimtückisch. Das war der Herr, der Dich erschaffen hat. Er meint es aber nicht gut mit Dir. Folge mir lieber. Dir da? um auf dem Bauche zu kriechen? Lachte der Mann laut auf. Das sollte mir einfallen! Ich stehe auf zwei Füßen, schau gen Himmel und lobe singend Gott, meinen Herrn. Die Rede verdroß die Schlange. Sie duckte sich in das grüne Gras, denn in ihrem vollen Glanze schwebte die Himmelskönigin einher und reichte dem Gubener ihre Hand. Meine gnädige Frau! sagte dieser ehrerbietig und fiel vor ihr auf die Kniee. Du bist ein wackrer, frommer Mann, sagte die Himmelskönigin voll Huld. Der Herr hat Dich gewürdigt mit Dir zu reden, bleibe ihm treu und gehorsam immerdar. Unter Deinen Nachkommen werde ich einst wohnen zu Guben an geweihter Stätte.

Das ist der erste Ursprung des Jungfrauenklosters in Guben.

Anmerkungen:

Ursprünglich eine ernsthaft gemeinte Klosterlegende, von dem schalkhaften Jeremias Barth aber benutzt zur Erklärung obigen Sprüchworts, ist diese Geschichte halb Legende, halb Schwank. Daß sie von der Aebtissin Edelfriede erfunden sei, wie Barth behauptet, ist sehr leicht möglich. Heidnisch aber ist Gott der Herr zu Roß, was an Wodan, und Gott der Herr mit dem Hammer, was an Thor erinnert.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862