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Die bösen Räuber

  Aus Haupt und Schmaler's wend. Liedern II. Anhang.

Es hausten in der Görlitzer Haide böse Räuber, die fällten die jungen Tannen, machten Leitern daraus und stiegen ein zur Nachtzeit in die Schlösser und Burgen. Einmal kamen sie auch in ein Schloß, da lag Alles in tiefem Schlafe, außer einem Burschen, der das Schloß bewachen sollte. Den nahmen sie gefangen und sprachen: Sage an, mein Bursche, wo schläft dein Herr mit seiner Herrin? Aber der Bursche sprach: Von dem Herrn sag ich euch nichts, ich bin sein getreuer Knecht. Da sprachen sie zu ihm: Wenn du es uns nicht sagst, so hau'n wir dir den Kopf ab. Dem Burschen wurde aber sehr angst und er fiel vor ihnen nieder und bat sie und sprach: Haut mir nur nicht den Kopf ab, ich will euch ja Alles sagen. In der ersten Kammer schläft der Herr und die Herrin; in der zweiten Kammer ruh'n die kleinen Kinder; in der dritten Kammer hängen die Schlüssel an der Wand, und in der vierten Kammer liegt das Geld im Schranke. Nun gingen sie hin, schlugen den Herrn todt, nahmen das Geld aus dem Schranke und führten die Herrin mit sich fort.

Als sie ein gutes Stück vom Schlosse entfernt waren, sagten sie zu der Herrin: Sieh dich um, sieh dich um, schöne junge Herrin! Sag uns einmal, ist dir’s nicht leid um deinen schönen jungen Herrn? Da sagte die Herrin: Komm ich in ein anderes Land, krieg ich einen andern Herrn, einen noch viel jüngern und schönern. Als sie noch ein gutes Stück weiter vom Schlosse entfernt waren, sagten sie zu der Herrin: Sieh' dich um, sieh dich um, schöne junge Herrin! Sag uns einmal, ist dir’s nicht leid um dein schönes neues Schloß? Da sagte die Herrin, komm ich in ein anderes Land, krieg ich wohl ein anderes Schloß, ein noch viel schöneres und neueres. Als sie noch ein gutes Stück weiter vom Schlosse entfernt waren, sagten sie zu der Herrin: Sieh dich um, sieh dich um, schöne junge Herrin! Sag uns einmal, ist dir's nicht leid um deine lieben kleinen Kinder? Da sagte die Herrin: Um meine lieben kleinen Kinder? Ach, um meine süße Kathinka. Das war meine kleinste und meine schönste. Wenn ich sie badete im Wännlein, wenn sie spielte mit den Aepflein, die ist mir am meisten leid. Meine süße Kathinka, die ist mir am meisten leid. Und sie fing an bitterlich zu weinen. Da zogen die bösen Räuber das Schwert aus und hieben ihr den Kopf ab und fuhren davon immer weiter und weiter.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862