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Von der heiligen Maria zu Haindorf

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  Frießiche: Wiegandsthal-Meffersdorfer Kirchfahrt S. 9. 
  Fruchtbarer und schattenreicher Lindenbaum, d. i. Maria der wunderthätigen Mutter Gottes zu Haindorf, 
  Ursprung 2c. a. M. V. P. Edmundo Oppiz ord. min. Franc. reform, praedic. Prag, gedruct im Königshofe 1732. 
  8. 20 Bg. cum censura et approbatione.

In Wildeneichen lebte ein armer Bauer, der nährte sich vom Siebmachen und war ein frommer und gottesfürchtiger Mann. Dem wurden einmal seine Frau und sein einziges Kind sehr krank. Da kam der Bauer in schwere Sorgen. Einstmals träumte ihm, er solle ein Marienbild kaufen und dieses in eine Linde seßen, die ihm wohl bekannt war und auf einem schönen freien Plane stand. Nächsten Tag ging der Bauer nach Zittau, kaufte ein Marienbild und setzte es in die Linde und von Stund an wurden die Seinen gesund. Dieses Bild hat nachher viele und große Wunder verrichtet, daß es gar nicht auszusagen ist und die Leute sind so häufig zu ihm gekommen, daß man auch eine Kapelle, später aber ein Kloster an derselbigen Stelle gegründet und das ist das jetzige Kloster Haindorf in Böhmen.

Bei Görlitz lebte ein Eisenhammerknecht, das war ein gotteslästerlicher Gesell, zumal wenn er im Rausche war. Einstmals trank er's unter frevelhaften Reden einem Kruzifixe zu, sprach, der Heiland sollte ihm Bescheid thun; da ward ihm ein trefflicher Bescheid, denn von Stund an ward seine Zunge gelähmt, konnte nicht mehr sprechen und war ganz stumm. Da ging er in sich und that Buße. Sie brachten ihn aber zu einem Pfaffen, der „verlobte“ ihn nach Kloster Haindorf an die heilige Maria und augenblicklich ward das Band seiner Zunge gelöst, ging hin und lobete Gott und die heilige Maria von Haindorf.

Von dem Hause in Zittau, wo einst der Bauer das Bild gekauft, geht eine gewisse Sage, daß es bei allen großen Bränden dieser Stadt auf wunderbare Weise sei erhalten worden. Aber es weiß heut zu Tage Niemand mehr, welches Haus es gewesen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862


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Anmerkung von K. Haupt: Haindorf liegt in Böhmen. Aber da die Sage nach Zittau und Görlitz hinüberspielt, habe ich sie mit aufgenommen.