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Die Gründung des Klosters Marienstern

  Frenzel, nomenclator in script. II. 49. 
  Lex. slav. II 1009. 
  Großer's Merkw. II. 12, III. 32. 
  Carpzov, Ehrentempel 1. 329. 
  Tic. epit. hist. Rosenthal c. I. No. 30. 
  N. L. Mag. 1832,217. 
  Segnitz, Sagen I. 188. 
  Gräve, Volkssagen, S. 163. 
  Sintenis, Oberlausit I. 57. 
  Dlugoss. Hist. Polon. I. 193. 
  Köhler, Bilder 26. S. 126. 
  Grässe S. 566. 
  Preusker's Blicke zc. II 209.

Einst jagte Graf Bernhard von Kamenz in den dichten Wäldern zwischen Ostro und Siebitz. Da traf er auf einen gewaltigen Hirsch. Er setzte ihm nach und verwundete ihn mit seinem Jagdspeere, daß der Hirsch, von Todesangst gehetzt, tief in's Dickicht flüchtete. Von Jagdlust ergriffen jagte der Ritter auf seinem schnellen Rosse ihm nach, allein er ließ sich zu weit von seinem Eifer fortreißen und sah sich plötzlich in einer ihm völlig unbekannten Gegend mit sumpfigem und morastigen Boden. Der Abend brach herein, ein furchtbarer Regenguß stürzte vom Himmel und der Graf versank mit seinem Rosse immer tiefer in dem Moraste.

Er ließ sein Jagdhorn erschallen, aber Niemand hörte ihn in der grausigen Einöde. Immer tiefer sank das zitternde Roß und immer höher stieg die Angst des Ritters, und als nun das erste Morgenroth durch die Gipfel der hohen Bäume schimmerte, da gelobte er der heiligen Jungfrau, wenn sie ihn vom Tode erretten wollte, ihr mitten in dieser Wildniß ein Kloster zu errichten. Da funkelte plötzlich der Morgenstern durch die Wipfel der Bäume und hoch über ihm glänzte im himmlischen Lichte das gnadenreiche Antlitz der Himmelskönigin. Noch einmal spornte er sein ermattetes Roß, und siehe, auf einmal ward der Boden fest wie Stein und sicher trug ihn fein Roß an's Ufer des Sumpfes. Seines Gelübdes eingedenk, ließ der Graf den Morast austrocknen, die Bäume ausroden und baute auf der Stelle, wo der Morgenstern die Hülfe der heiligen Jungfrau ihm verkündet, das Cistercienserkloster Marienstern.

Anmerkungen:

  1. Nach der von den Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg zu Guben verbrieften Schenkungsurkunde ward das Kloster 1264 gegründet und 1284 vollendet. Bernhard starb als der 27ste Bischof von Meißen am 12. Oktober 1325.
  2. Maria überkam ohne Zweifel die Veehrung der Lenz- und Morgen -Göttin Ostara, auf deren Kultur das westlich benachbarte Ostro hinweist. Derselbe Zusammenhang ist zwischen der Stadt Ostritz und dem Kloster Marienthal, sowie zwischen dem Jungfrauenkloster zu Guben und dem dabei gelegenen Ostra- oder Osterbrunnen.
  3. Morgenstern (stella matutina) und Marienstern (stella Mariae) ist in der Kirchensprache des katholischen Mittelalters Ein Begriff. Aehnlich wird die Gründung des schlesischen Klosters Trebnitz erzählt. Auch den Namen des Flusses Elster (wend. Halstrow), dessen eine Quelle, das Klosterwasser, hinter Ostro entspringt, hat man mit dem Namen des Orts Ostro und der Göttin Ostara identificirt. Darüber vergl. indessen I. 181. Anmerk.
  4. Das benachbarte Siebitz erinnert an die wendische Siba, welche vielleicht die Ostara ablöste, ebenso wie sie später von der h. Maria abgelöst wurde.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862