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Die Urnen

Das Volk in der Lausitz, sowie in Schlesien, Sachsen und Polen, glaubt, daß die Todtenurnen, welche man häufig in der Erde findet, darin von Natur gewachsen und nicht von Menschenhänden gemacht sind. Eine handschriftliche Budissinische Chronik (ohne Namen des Verfassers) setzt hinzu: „und verräth sich solche wunderbare Erzeugung dadurch, daß der Erdboden auf schwillt und Hügel bildet, als sei die Erde schwanger worden.“

Die Urnen gelten zugleich als der Hausrath der unterirdischen Zwerge, die sehr empfindlich sind, wenn man ihre Hügel aufstöbert. Deshalb halten es die Landleute vielfach für gottlos, sie auszugraben und weigern sich mit Hand anzulegen. Bei Kalau, in der Nähe der Kolkwitzer Mühle, war mitten im freien Felde ein Platz, der wurde von dem Volke heilig gehalten und niemals beackert. Dies Gebot ging vom Vater auf den Sohn, aber man wußte schließlich nicht warum. Im vorigen Jahrhunderte gruben die Gelehrten nach und fanden Urnen und menschliche Gerippe von ungeheurer Größe. (Marbach, Gesch. v. Calau S. 35.) Auch bei Markersdorf bei Görlitz giebt es eine „heilige Hufe.“

In Zittau und Löbau hat man auch in den Wänden von Kirchen flaschenartige Urnen von Thon, welche Asche enthielten, eingemauert gefunden, und zwar in großer Anzahl dicht bei einander, von der Größe von 1 1/2 Ellen (Länge sowohl als Durchmesser), einige auch kleiner, und zwar nicht stehend, sondern liegend und mit der Oeffnung nach Innen.

Anmerkungen: 1. Einzelne Heidengräber finden sich fast überall in der Lausitz, in größerer Anzahl aber als Heidenkirchhöfe, soviel bis jetzt bekannt geworden, an folgenden Orten: Königswartha, Droben, Königshain, Schmochtitz, See, Jauernick, Hoyerswerda, Särchen, Malschwitz, Sdier, Kaupa, Krosta, Brösa, Plischkowitz, Nichteberg, Neukirch, Moholz, Podrosche, Hänichen, Alt-Golßen, Bautzen, Bloaschütz, Dobranitz, Döberfitz, Nebelschitz, Zilmsdorf, Sandow.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862