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Der starke Hans

  bei Vetschau R 

Es war einmal ein Bauer, der hatte drei Söhne; zwei waren sehr fleissig, der eine aber war fauL Da mit dem Faulen nicht fertig zu werden war, jagte ihn der Vater vom Hause. Der Sohn ging zu einem Edelmann in den Dienet; dieser sprach: „Der hat Kräfte genug, der soll mir schwer arbeiten.“ Einstens schickte er seine Knechte in den Wald nach Bauholz, die Knechte sprachen am Morgen: „Hans, mache dass Du aufstehst, wir müssen fort in den Wald, die Sonne steht schon hoch am Himmel“ Der aber sprach : „Es ist noch Zeit genug, ich werde schon kommen.“ Darauf schlief er ruhig weiter. Die Knechte aber spannten ihre Ochsen an und fuhren in den Wald. Hier mussten sie sich placken mit dem Bauholz, bis sie eine Fuhre aufgeladen hatten. Der Hans aber, als er endlich in den Wald kam, riss die Bäume mitsammt den Wurzeln aus und legte sie auf den Wagen. Als das die andern Knechte sahen, sprachen sie: „Mit dem ist es nicht richtig, wir wollen machen, dass wir fortkommen, sonst holt uns der Teufel noch hier im Walde“ Schnell spannten sie ihre Ochsen an und machten, dass sie nach Hause kamen. Zu Hause erzählten sie dem Edelmann die ganze Geschichte. Der Edelmann aber sprach: „Schliesst schnell die Thore zu, damit Hans nicht herein kann.„ Es dauerte nicht lange, so kam Hans mit seinem Bauholz angefahren. Er klopfte an die Thore, aber Niemand machte ihm auf. Da nahm er einen Ochsen nach dem andern und warf ihn über die Mauer, darauf den Wagen mitsammt dem Bauholz, zuletzt stieg er selber über das Thor. Als ihn der Edelmann sah, sprach er: „Hans, mache, dass Du fortkommst, mit Dir ist es nicht richtig; zum Lohn will ich Dir so viel Erbsen geben, wie Du tragen kannst.“ Da ging der Hans in die Scheune und füllte die grössten Säcke, die dort lagen, mit Erbsen, band sie zusammen und machte eine Hucke daraus. Der Herr aber, als er das sah, dachte: „Den Hans wollen wir um's Leben bringen, bevor er mit meinen Erbsen fortgeht.“ Schnell liess er den bösesten Bullen losmachen, den er in seinem Stall hatte. Als Hans denselben kommen sah, sprach er: „Na mit dir Kälbchen werden wir schon fertig werden,“ packte ihn bei den Hörnern und warf ihn auf den Rücken, indem er sagte: „Erbsen und Rindfleisch werden mir schon gut schmecken.“ Darauf ging er mit der doppelten Last ruhig seiner Wege.

Als er so eine ganze Zeit gegangen war, kam er an eine Mühle, die einsam auf einem Platz stand; Niemand war darin. Hans machte sich's in der Mühle bequem und wohnte schon eine ganze Zeit dort, als eines Tages ein kleines Mannchen kam und sprach: „Hans, Du kannst hier bleiben, aber wir Beide müssen erst unsere Kräfte messen.“ Sie schritten zum Wettkampf. Da nahm das Männchen einen Hammer, den es bei sich hatte und warf ihn so hoch in die Luft, dass er erst nach dreiviertel Stunde wieder zur Erde niederfiel. Da sprach der Hans: „Das ist gar nichts.“ Darauf nahm er den Hammer zur Hand, zirkelte und zirkelte damit in der Luft herum, so dass das Männchen sprach: „Wo willst Du denn hinschmeissen?“ „Sieh,“ sagte der Hans, „ich will blos jenen rothen Fleck am Himmel treffen.“ „um Gotteswillen,“ sprach das Männchen, „wirf nur ja dort nicht hin, da ist das Paradies, fliegt mein Hammer da hinein, so bekomme ich ihn nicht wieder.“ Darauf verschwand das Männchen und Hans sprach für sich: „Allein bleibst Du auch nicht hier, Du gehst Deiner Wege.“

Da machte er sich wieder auf und kam an eine Schmiede. Hier fragte er den Schmied, ob er einen Gesellen brauchen könnte. Der Schmied sagte: „oh, ja.“ Es war aber Abend und Hans ging zu Bett. Des Morgens, als die Sonne schon hoch am Himmel stand, war der Geselle noch nicht auf, da rief ihn der Schmied, er aber hörte nicht. Als er in die Kammer trat, schnarchte sein Geselle so, dass die Dachsparren zitterten. Der Schmied sprach: „Solchen Gesellen, der so lange schläft, kann ich nicht gebrauchen, mache nur schnell, dass Du in die Schmiede kommst.“

Als Hans in die Schmiede kam, war der Schmied schon am Ambos und hämmerte lustig darauf los. Da gab der Schmied dem Hans den grossen Hammer, damit er tüchtig zuschlagen sollte, Hans aber schlug so gewaltig zu, dass der Ambos neun tief Ellen in die Erde fuhr. Der Schmied lief zu seiner Frau und sprach: „Wir haben uns gewiss den Gottseibeiuns auf den Hals geladen, er hat so zugeschlagen mit dem Hammer, dass der Ambos neun Ellen tief in die Erde gefahren ist.“ Da sprach die Frau: „Schicke ihn doch in die Drachenhaide nach Kohlen, die Drachen werden schon mit ihm fertig werden und dann sind wir ihn los“ Richtig, Hans wurde in die Drachenhaide geschickt und bekam viele Säcke mit, damit er sie voll Kohlen nach Hause bringe. Er ging nun in die Drachenhaide; ehe die Sonne untergegangen war, kam er schon wieder mit den gefüllten Säcken zurück. Der Schmied wunderte sich sehr darüber und fragte den Gresellen, ob er denn nichts angetroffen hatte. Der Geselle aber sagte: „Nein, ausgenommen ein paar Zwerge; mit denen bin ich schon fertig geworden.“

Nach einiger Zeit musste der Geselle wieder in die Drachenhaide gehen. Als die Zwerge ihn kommen sahen, riefen sie schnell die Drachen herbei. Den Drachen nämlich gehörte der Wald und die Zwerge, die darin wohnten, waren ihre Diener und mussten alle Tage für dieselben Kohlen brennen. Auf einmal sauste und brauste es durch die Luft und die Drachen kamen geflogen, gerade auf den Hans los. Der aber sagte: „Mit Euch Heuschrecken werde ich schon fertig werden,“ riss ein paar tüchtige Eichen aus der Erde und schlug damit auf die Drachen los. Er wurde von diesen zwar tüchtig zerkratzt, aber es dauerte nicht lange, so hatte er sie todtgeschlagen. Darauf machte er ein grosses Feuer an und legte die Drachen darauf, um das Fett auszubraten. Als dieses herausfloss, rieb er sich mit dem Drachenfett ein, nur eine Stelle war an seinem Körper vom Fette frei geblieben, wo er nicht mit der Hand hatte hinlangen können, zwischen beiden Schultern, ein Fleckchen, so gross wie ein Ei. Als das Drachenfett kühl geworden, war Hans wie mit einem Hornpanzer überzogen, nur die Stelle zwischen den Schultern, wohin er nicht hatte langen kennen, war weich wie vorher geblieben. Darauf ging der Hans nicht mehr zum Schmied, sondern sagte: „Jetzt willst Du Dein Heil wo anders versuchen.“

Wie er so des Weges dahin ging, traf er mehrere Leute, welche erzählten, die schöne Königstochter sei von einem Drachen geraubt und der Drache halte dieselbe auf dem Drachenstein verborgen. Derjenige, welcher sie dem Könige wiederbringe, solle die Tochter des Königs zur Frau haben. Da das der Hans hörte, ging er in eine Schmiede und machte sich ein schönes Schwert. Dann liess er sich den Weg zum Drachenstein zeigen. Er fand den Felsen bald. Sogleich begann er, ihn zu besteigen. Als er fast oben angelangt war, erhob der Drache ein furchtbares Geschrei, aber Hans fürchtete sich nicht. Er zog sein Schwert und kämpfte mit dem Drachen. Der Drache hatte neun Köpfe und jeder Kopf spie Feuer, aber das Feuer des Drachen konnte dem Hans nicht schaden, denn die Hornhaut schützte ihn. Nach einer Weile hatte er alle Köpfe des Drachen heruntergeschlagen und die Prinzessin war befreit. Nun führte er dieselbe zu ihrem Vater, damit dieser sie ihm zur Frau gäbe. Aber die Königstochter wollte den Hans nicht haben und machte allerlei Einwände gegen die Heirath. Der König war auch damit einyerstanden, dass sie versuchen sollte, den Hans loszuwerden, deshalb sprach er zu Hans: „Du musst mit meinem Heere in den Krieg ziehen, dann bekommst Du meine Tochter.„ Zu seinen Hauptleuten aber sagte er: „Gebt dem Hans das böseste Pferd, was Ihr habt und stellt ihn an die Spitze des Heeres, damit die Feinde ihn erschlagen.“ Darauf ging es in den Krieg. Als der Hans vor dem Heere der Feinde angelangt war, wurde sein Pferd wild; er wollte sich an einen Wegweiser halten, aber da er so stark war, riss er den Wegweiser aus und das Pferd ging mit ihm durch. Die Feinde aber, als sie den Hans mit dem Wegweiser in der Hand angestürmt kommen sahen, sprachen: „Der Teufel ist mitten unter denen dort, wir wollen machen, dass wir fortkommen.“ Da liefen Alle davon und die Königlichen hatten die Schlacht gewonnen, der Hans aber war am Leben geblieben.

Als die Sieger nun nach Hause kamen, half Alles nichts, die Hochzeit wurde gefeiert. Die Königstochter aber hatte Mörder bestellt, die den Hans umbringen sollten, aber es wagte keiner mit ihm zu kämpfen, da er so stark und unverwundbar war. Da machte ihn die Königstochter betrunken und fragte ihn, ob er denn wirklich so stark und unverwundbar sei. „Ja,“ sagte der Hans, „am ganzen Leibe bin ich unverwundbar, bis auf ein Fleckchen und das ist zwischen den Schultern.“ Darauf bat ihn seine Frau: „Zeige doch das Fleckchen“ Der Hans zeigte den Fleck. Da nahm ein Mörder ein grosses Schwert, und stach damit den Hans in den Fleck, zwischen den Schultern, so tief in Rücken und Brust hinein, dass Hans todt niederfiel.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880