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Die hilfreichen Hunde

  Sandow

Mit einem Bauer kam es zu sterben. Er hatte einen Sohn und eine Tochter. Auf dem Todtenbette vertheilte er seine Hinterlassenschaft so, dass die Tochter die Wirthschaft, der Sohn aber drei Schafe erhalten sollte. Dem Sohn erschien sein Erbe sehr gering, er musste sich aber in den letzten Willen seines Vaters fügen. Nach dem Tode seines Vaters zog er mit seinen drei Schafen fort. Er war noch nicht weit gegangen, so begegnete ihm ein Mann mit drei Hunden, welcher ihm einen Tausch anbot. Der junge Bauer wollte nicht auf den Tausch eingehen, allein der Mann sagte, es wären Hunde, welche besondere Eigenschaften besässen. Zu dem einen Hunde brauche er nur zu sagen: „Bring Speise“, dann brächte derselbe Essen und Bier, zu dem andern: ,,Zerreiss“, so vernichte derselbe jeden Feind, zu dem dritten: „Brich Stahl und Eisen“, so öffne er jedes Schloss und jede Fessel. Jetzt war der junge Bauer zum Tausch bereit.

Nachdem der Tausch vollzogen war, mächte er sich wieder auf den Weg. Er war noch nicht weit mit seinen Hunden gekommen, so traf er anf eine schwarze Kutsche. Aus der Kutsche liess sich ein klägliches Weinen vernehmen. Der junge Bauer gebot dem Kutscher zu halten; er erfuhr auf sein Befragen, es hause nicht weit entfernt auf einem Berge ein Drache, dem jedes Jahr eine Jungfrau gebracht werden müsse: diesmal sei die Königstochter bestimmt, ein Opfer des Drachen zu werden. Der junge Bauer begleitete den Wagen. Als die Kutsche am Drachenstein angekommen war, erstieg der junge Bauer mit seinen drei Hunden den Berg, welcher ganz mit Dornen bewachsen war. Als ihn der Drache erblickte, fuhr er auf ihn los, er aber schickte seinen Hund „Zerreiss“ in den Kampf und in kurzer Zeit war der Drache abgethan.

Nun kehrte er zur Königstochter zurück und verkündete derselben ihre Befreiung. Diese war hoch erfreut und erzählte ihrem Better, ihr Vater habe sie Demjenigen zur Gemahlin bestimmt, welcher sie erlösen werde. Dem jungen Bauer gefiel das, aber er wollte sich noch ein wenig in der Welt umsehen und sagte deshalb, genau in drei Jahren werde er zur Hochzeit in dem Schloss ihres Vaters eintreffen. Damit verabschiedete er sich und machte sich wieder auf den Weg.

Da er unterwegs an Nichts Noth hatte, denn sein Hund brachte ihm Essen und Trinken, so gefiel es ihm auf der Wanderschaft gar wohl. Aber die Königstochter sollte bald in grosse Noth kommen. Der Kutscher hatte beschlossen, als er den Retter der Königstochter abziehen sah, sich zu deren Gemahl zu machen. Als er an einen See gekommen war, bedrohte er dieselbe, er werde sie ertränken, wenn sie nicht sagen würde, dass er sie erlöst habe. Die Königstochter versprach in ihrer Angst Alles, sie wusste aber die Hochzeit so lange zu verzögern, dass die drei Jahre fast um waren. Endlich musste sie jedoch dem Drängen ihres Vaters nachgeben und die Hochzeit ward festgesetzt.

An dem Tage, an welchem die Hochzeit gefeiert wurde, traf der wirkliche Erretter in dem Schlosse ein und bat um die Hand der Königstochter. Der König hielt ihn aber für einen Betrüger und liess ihn in das Gefängniss werfen. Da rief er seinem Hunde zu: „Brich Stahl und Eisen.“ Alsobald wurden die Pforten des Gefängnisses von dem Hunde geöfihet. Als er darauf mit seinen drei Hunden in den Königssaal trat, erkannten Alle, dass er der wirkliche Erretter der Königstochter sei. Darauf wurde der betrügerische Kutscher gehenkt; der junge Bauer aber Gemahl der Königstochter.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880