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Der Schatz im Todtenkopf

  Vetschau

In Vetschau lebte einst ein Vater mit seinen beiden Söhnen; seine Frau war gestorben. Die beiden Söhne schliefen in einem Zimmer allein. Da that sich in der einen Nacht die Thür auf und in das Zimmer trat eine weiße Gestalt, welche zuerst auf das Bett der Kinder zuschritt, dann war sie plötzlich verschwunden. Die Kinder erzählten dieses Ereigniss am nächsten Morgen ihrem Vater, der aber wusste ihnen keinen Rath zu geben, was sie thun sollten, wenn ihnen wieder etwas Aehnliches zustiesse.

In der nächsten Nacht kam die weiße Frau wieder. Da fragte der älteste Sohn: „Was störst Du mich jede Nacht im Schlafe?“ Sogleich erhob die weiße Frau drohend den Finger und sprach: „Diese Worte werden Dir leid thun.“ Darauf verschwand sie. Am andern Morgen wollte der jüngste Sohn seinen Bruder wecken. Da fand es sich, dass derselbe todt war.

Als in der folgenden Nacht die Frau, welche dieses Mal ein schwarzes Gewand trug, wieder erschien, sagte der jüngste Sohn: „Liebe Frau, sage mir doch, was ist Dein Begehr?“ Die Frau antwortete: „Hier hast Du einen schwarzen Handschuh; mit dem geh morgen langsam durch den Garten. Wenn Du siehst, dass er sich in einen weißen verwandelt, so grabe an der Stelle, wo sich das zugetragen hat, nach.“

Am folgenden Tage ging der Sohn mit dem Handschuh in den Garten. Als der Handschuh unter einem Birnbaum weiß wurde, grub er daselbst nach. Es dauerte nicht lange, so stiess er auf einen kupfernen Kessel. In demselben lag ein Todtenkopf, welcher ganz mit Gold gefüllt war.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880