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Hänschen und Hannchen

  Aus Haupt und Schmaler's wend. Liedern II. Anhang.

Es war aber einmal ein Vater und eine Mutter, die hatten eine sehr große Schaar Kinder. Und der Vater ging in die Stadt und kaufte ein Viertel Erbsen und gab jedem Kinde eine Erbse, aber für Hänschen und Hannchen fehlte es. Sie weinten sehr darüber. Der Vater sagte: Schweigt und weinet mir nicht; ich werde in den Wald Holz hauen gehen und da werdet ihr mitkommen und Beeren suchen. Der Vater nahm ein Mandelholz und eine Mandelkeule mit und hing sie an einen Baum. Zu Hänschen und Hannchen sagte er: Geht ihr immer und pflückt Beeren. So lange als ich Holz hauen werde, könnt ihr Beeren pflücken. Der Wind schlug aber immer das Mandelholz und die Mandelkeule aneinander und sie dachten, der Vater haut Holz und pflückten immerfort Beeren. Sie hatten sich gar unbändig voll gegessen und hatten auch die Krüglein voll und gingen den Vater suchen. Sie kamen dahin, wo die Mandelkeule und das Mandelholz hingen; aber dort war kein Vater. Nun weinten sie sehr und liefen im Walde herum und schrieen, aber sie fanden Niemanden. Auf einmal kamen sie an ein Pfefferkuchenhäuschen, davon fingen sie an abzubröckeln: Bröckle, bröckle von dem Häuschen der alten Wera! Da kam die alte Wera herausgelaufen: Wer ist da? und sie versteckten sich schnell, daß sie sie nicht fand. Darauf bröckelten sie wieder von dem Häuschen: Bröckle, bröckle von dem Häuschen der alten Wera. Da kam die alte Wera herausgelaufen: Wer ist da? und sie versteckten sich schnell, daß sie sie nicht fand. Darauf bröckelten sie immer wieder von dem Häuschen ab: Bröckle, bröckle von dem Häuschen der alten Wera.

Da sprang sie recht schnell heraus und erwischte sie. Sie nahm sie herein und sagte: Jetzt werde ich euch mästen, und sperrte sie in ein Ställchen und gab ihnen dort lauter Semmelmilch zu essen. Hierauf ging sie sehen, ob sie genug gemästet wären: Hänschen, steck dein Fingerlein heraus, ob du genug gemästet bist. Er steckte aber sein Pfeifchen heraus, das er von zu Hause mitgebracht hatte. Sie machte einen Schnitt in das selbe. Ach, du bist noch nicht fett genug. Hannchen, steck du deinen Finger heraus, ob du genug gemästet bist. Die steckte aber den Finger mit dem Ringe heraus. Sie machte immer einen Schnitt in den Ring: Ach, du bist auch noch nicht fett genug. Dann lärmten sie aber so sehr und Hänschen verlor sein Pfeifchen und Hannchen ihren Fingerring. Da kam die alte Wera wieder sehen, ob sie genug gemästet wären. Hänschen, steck deinen Finger heraus, ob du genug gemästet bist. Er steckte seinen Finger heraus, die alte Wera machte einen Schnitt in denselben und das Blut lief nur so.

Hannchen, steck du deinen Finger heraus, die alte Wera machte einen Schnitt in denselben und das Blut lief nur so. Ja, ja, ihr seid genug gemästet, jetzt will ich euch braten. Sie machte ihren Backofen so recht heiß, nahm Hänschen und Hannchen und sagte: Jetzt setzt euch hier auf die Schoße.

Sie setzten sich auf die Schoße bald so, bald so. Wera lehrte sie immer, wie sie sich setzen sollten; sie fielen aber jedesmal wieder herunter. Wir wissen nicht, wie wir uns setzen sollen, zeige es uns doch. Da setzte sich die alte Wera auf den Schieber und schub! schoben sie sie in den glühenden Backofen hinein. Darauf verbrannte die alte Wera gänzlich und sie hatten das Pfefferkuchenhäuschen und haben es bis auf den heutigen Tag, wenn sie es nicht verkauft haben.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862