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Des Wolfes unglücklicher Fischfang

  Aus Haupt und Schmaler's wend. Liedern II. Anhang

Und hierauf gingen der Wolf und der Fuchs Abends wieder umher, und es war ziemlich kalt. Und der Fuchs sagte: ich habe einen guten Pelz, aber mich friert doch fast. Und der Wolf sagte: ich habe mein Lebtage gehört, daß es bei jungen Mädchen warm ist, drum wollen wir in die Spinnstube gehen. Und der Fuchs sagte: meinetwegen. Und sie kamen hin, und der Wolf fing an, sich um die Mädchen zu bethun, der Fuchs machte sich's aber am Ofen bequem. Und er hatte gerade rechten Appetit auf etwas Leckerhaftes. Und er fing an, hie und da umherzukriechen, aber er konnte nichts ausschnüffeln. Und er ging heraus, um eine Kahnfahrt zu machen. Dort fuhr gerade einer mit Heringen vorbei. Da sprang der Fuchs auf den Wagen und öffnete eine Tonne und warf ziemlich viel Häringe aus derselben heraus. Dann sprang er wieder herunter und aß alle Häringe auf bis auf einen. Und als er nun auch diesen anbeißen wollte, kam der Wolf und sagte: Was issest du? Und der Fuchs sagte: Fische. Willst du kosten? Und er gab ihm einen halben Häring, und der schmeckte dem Wolfe sehr. Und er sprach: wo hast du solche Fische gefangen? Und der Fuchs antwortete: hier in dem Teiche. Und der Wolf sagte: solche möchte ich auch fangen. Und der Fuchs sagte: da hänge den Schwanz in's Wasser. Es war aber grade eine Kälte eingetreten, daß es nur so glühte. Und nach einer Weile wollte der Wolf seinen Schwanz herausziehen. Aber der Fuchs sagte: Untersuche die Schwere! Und der Wolf sagte: ich merke nichts. Und der Fuchs sagte: da ist's zu zeitig. Und nach einer ziemlichen Weile wollte er seinen Schwanz wieder herausziehen, aber der Fuchs sagte: untersuche die Schwere! Und der Wolf sagte: mir scheint es, als wenn etwas faßte. Und der Fuchs sagte: das ist immer noch zu zeitig, das sind kleine Fischchen. Und der Schwanz war ziemlich eingefroren. Und nach einer langen Weile wollte der Wolf wiederum seinen Schwanz herausziehen, aber der Fuchs sagte: untersuche die Schwere! Und er sagte: mir scheint es, daß ich einen recht großen Fisch gefangen habe. Und der Schwanz war fest eingefroren. Da sagte der Fuchs: zieh! Aber er konnte ziehen, so sehr als er nur wollte, er zog ihn doch nicht heraus. Und der Fuchs sprach: stemm dich, ja stemme dich, ich habe mich auch stemmen müssen, wenn ich nicht im Graben liegen bleiben wollte. Und er ging seines Weges. Und der Wolf zog und zog, und riß und riß, bis er sich immer mehr den Schwanz abriß. Das ärgerte ihn aber doch verflucht und er war von derselbigen Zeit an der beständige Feind des Fuchses.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862