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Wendenkönig und Leinweber

  Cottbus

Die Wenden sind aus Asien gekommen und ein König hat sie geführt. Als sie unterwegs ein grosses Gebirge zu überschreiten hatten, sind zwei Drittel von ihnen von den Feindlichen Bergbewohnern erschlagen worden, und nur ein Drittel hat unter grossen Mühseligkeiten die Gefahren der Wanderschaft überstanden. In grossen Pelzen eingewickelt rollten die Männer die Berge herunter, die Frauen aber wurden an Stricken herabgelassen. So gelangten die Wenden endlich nach Schlesien und von da durch die Deutschen vertrieben, in die Gegend von Burg. Dort liess sich der Wendenkönig ein unterirdisches Schloss bauen, von diesem Schlosse führte eine Lederbrücke nach Werben und Fehrow, welche sich hinter ihm, so oft er darüber schritt, von selbst aufrollte.

Da der König viel mit den schwarzen Rittern zu kämpfen hatte und durch diese Kämpfe, in welchen er nicht immer siegreich war, seine Herrschaft sich minderte, so ist er vor Gram darüber gestorben. Begraben ist er in einem goldenen Sarge, der aber ist in einen kupfernen gesetzt, und dann sind die Särge in einen Sumpf versenkt worden.

Nach dem Tode des Wendenkönigs folgte ihm sein Sohn in der Herrschaft. Auch dieser hatte viel mit den schwarzen Rittern zu kämpfen; er war dabei nicht immer glücklich, so dass er endlich Burg verlassen musste. Von diesem König rührt die Auffindung des Salzes bei Halle her. Es war nämlich ein Wendenstamm in die Gegend von Halle gezogen und hatte sich dort niedergelassen. Eine Frau, welche dicht bei Halle die Schweine hütete, bemerkte, dass ein schwarzes Schwein, welches sich in einem Sumpf herumsielte, weiß aus demselben heraus kam. Das wurde dem Wendenkönig gemeldet; der kam und wusste sogleich, dass an der Stelle ein Salzquell sei. Er liess das Wasser kochen, Stroh hineinwerfen, und zeigte den Wenden so, wie man Salz gewinne.

Als der Wendenkönig sich in Burg nicht mehr zu halten vermochte, ist er von dort fort gezogen, bei Sorau hat er seinen Schatz vergraben lassen; den kann aber nur derjenige heben, welcher mit zwei Zähnen geboren ist.

Der Markgraf Hans hörte von dem Schicksal des Wenden-Königs und forderte ihn auf, er solle in sein Heer eintreten, er würde ihm eine hohe Stelle geben. Dazu aber war der Wendenkönig zu stolz. Deshalb begab er sich nach Cottbus, und da er das Weben verstand, so wurde er Leinweber. Damals waren die Steuern für die Gewebe sehr hoch, deshalb suchte er das Gesetz zu hintergehen. Allein bald merkte man es und nun ward der Wendenkönig aus der Stadt vertrieben. Er ist auch ausgezogen in die Fremde, begleitet von seiner Schwester, Niemand weiß wohin.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880