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Vom vergrabenen Schatze des Wendenkönigs

  Sielow

In Burg auf dem Schlossberg ist der Schatz des Wendenkönigs vergraben und man weiß auch die Stelle, wo er liegt, denn dort ist eine Höhlung, aus welcher des Nachts Feuer herausleuchtet.

Einst stieg ein Bettelkind in die Höhlung, um diesen Schatz zu heben. Als es unten angekommen war, sah es einen Wagen, welcher mit sechs Pferden bespannt war. Neben dem Wagen erblickte es einen Backofen und auf dem Backofen lag eine Schlange. Das Kind vermuthete, dass hier der Schatz liege und sprach zur Schlange: „Ich will den Schatz des Wendenkönigs haben, wo ist er.“ Die Schlange aber erwiederte: „Was willst Du mit demselben anfangen?“ Das Kind antwortete: „Ich will mir dafür ein Haus bauen.“ Davon wollte aber die Schlange nichts wissen, sondern sprach: „Du bist zu klein, den Schatz zu heben, schicke Deinen Bruder herunter.“ Das Bettelkind sah nun, dass es den Schatz nicht bekommen würde und so stieg es denn wieder aus der Höhlung empor. Kaum war es aber oben, so wurde es in einen Hasen ohne Kopf verwandelt. Als ein Jäger diesen Hasen erblickte, schoss er nach ihm, aber die Kugel traf nicht. Eine zweite Kugel, welche er nach dem Hasen entsandte, prallte von diesem ab und als er zum dritten Male schiessen wollte, ging der Schuss gar nicht los. Er untersuchte das Gewehr, um zu sehen, woran das liege: da fand er den ganzen Lauf des Gewehres mit Groschen angefüllt. So konnte er dem Hasen nichts anhaben. Der Schatz aber des Wendenkönigs ruht noch heute im Backofen und eine Schlange hält darauf Wache.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880