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Der blutende Geist

Auf dem alten Schlosse zu Neschwitz unweit Budissin (im sogenannten Orangenhause) erscheint den 7. Juli – auch manchmal zu andern Zeiten – in der Mitternachtstunde eine bleiche, abgehärmte Gestalt, voller Blut, welche um das Schloß herumgeht und dann mit einem tiefen Seufzer wiederum verschwindet. Die Veranlassung dazu ist folgende:

Als am 6. Juli des 1698sten Jahres Heinrich Karl Joachim, Rittmeister, auf Saritsch, und Jakob, auf Zescha, Gebrüder von Tehler, bei ihrem Vetter, Wolf Ehrenreich v. Tehler auf Neschwitz, bei einem freundschaftlichen Gastmale waren, erhob sich zwischen erstgenannten Beiden ein Streit über politische Meinungen, welcher so heftig wurde, daß Gedachte in ein Nebenzimmer gingen und die Degen zogen.

Der Wirth, Wolf Ehrenreich, dieses bemerkend, eilte ihnen, um Ruhe zu stiften, sofort nach, redete zur Sühne und ergriff – sich unter die Kämpfenden werfend – einen Stuhl, wobei er von Einem der Zornwüthigen einen Stich erhielt, an dessen Folgen er am andern Tage starb.

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Quelle: Heinrich Gottlob Gräve, Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz. Reichel, Bautzen 1839, Seite 97


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Anmerkung Sagenwiki: Conrad Heinrich von Theler auf Neschwitz war zur betreffenden Zeit Besitzer des Schlosses Neschwitz und verkaufte es noch im Jahre 1698. Von 1708 bis 1720 hatte Georg Bernhard von Theler Streitigkeiten mit Schack von Rumohr über den Verkauf von Neschwitz. Dessen Sohn aus zweiter Ehe, Georg Wilhelm von Rumohr, kursächsischer wirklicher Kammerjunker, wurde 1734 im Duell erstochen. Wikipedia