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Der letzte Landgraf wird begraben - Des Klosters letzter Tag

Still und ruhig lebte Landgraf Friedrich, mit dem Zunamen der Einfache oder Einfältige seine Lage, thatenlos und schwach; in und mit ihm erlosch das Thüringische Landgrafenthum, er starb zu Weißensee erbenlos und das Land fiel seinen Vettern anheim, die es unter sich theilten. Da läutete auch ihm, dem letzten Herrn des bisher ungetheilten schönen Landes die Klosterglocke von Reinhardsbrunn zu Grabe. Sein Tod erfolgte am Sonnabend der Kreuzwoche früh in der sechsten Stunde, und am Sonntage schon wurde die fürstliche Leiche nach Reinhardsbrunn abgeführt. Es war ein trübes, wehmüthiges Begängniß.

Und kein volles Jahrhundert mehr, so war es um Reinhardsbrunn als Kloster geschehen. Das verheerende Sturmwetter des deutschen Bauernkriegs überbraußte auch dieses friedliche Thal und verkehrte seine melancholische Stille in den wilden Lärm der Waffen und der Plünderung. Es war ein Montag, acht Tage nach Ostern des Jahres fünfzehnhundert und fünfundzwanzig, jenes Jahres, das so viele blutrothe Osterfeuer sah, als sich der leßte Abt Heinrich, in banger Furcht vor dem Ungewitter, das er kommen sah, unrühmlich entfernte, die Brüder verließ und nach Weimar flüchtete. An demselben Morgen machte sich auch der Kellermeister auf und davon, und enteilte gen Eisenach. Bestürzt erharrten die Brüder die schwerste Stunde ihres Klosters, das ihnen bisher ein so schöner friedlicher Port gegen alle Weltstürme gewesen war. Am Abend dieses Lages zwischen fünf und sechs Uhr kam ein Heer von Bürgern und Bauern aus Waltershausen und den naheliegenden Ortschaften bei achthundert Mann stark in das Kloster. Diese öffneten die Kerker, befreiten die Gefangenen, zechten die ganze Nacht durch, und turbirten die Conventualen auf das Aeußerste. Des andern Morgens kamen ganze Haufen von Gotha und von Broteroda, die nahmen von Hausrath, was sie fanden, und leerten den Remter und den Schlafsaal aus. Einige, die gern dem Unfug steuern wollten, schickten Eilboboten nach Weimar zu dem Herzog, die um Hülfe flehten, aber der Fürst ließ bloß zurück sagen, sie möchten, wo möglich, das Kloster zu retten suchen. Es rückten auch von Waltershausen neunzig bewehrte Mannen im Harnisch zur Hülfe an, allein sie konnten wenig oder nichts zur Abwehr thun. Zur Vesperzeit kamen Abgeordnete von Weimar und am andern Tag der mit dem Abt entwichene Klosterschreiber mit zwei Panieren zurück und steckten eins auf den Thurm, das andere über die Hauptpforte. Aber die Bauern durchtobten wie toll das ganze Kloster und rissen diese Fahnen mit dem Fürstenwappen in Fetzen. Der Prior, vorsichtig und klug, rettete vieles von Kleinodien und werthvollem Kirchengut und an Kirchengeräthen und ließ es heimlich hinweg nach Weimar fahren; die Bauern aber schlachteten, kochten, brauten, buken im Kloster, als ob sie da zu Hause wären, fischten die Teiche aus und hetzten die armen Brüder über die Mauern und durch die Gräben rings um die stattliche Abtei. Alle Brüder entflohen, bis auf den treuen Prior und fünf bis sechs Kranke, die große Schmach und Ueberlast erdulden mußten von der Bauern Uebermuth. Endlich entwichen auch die letzten der Brüder, vier der Kranken wurden auf Karren nach Waltershausen gefahren, und drei von ihnen starben bald darauf. Unterdes legten die Bauern ihre frevelnden Hände auch an das Gotteshaus, rissen die vierundzwanzig Altäre nieder, zerbrachen die Altartafeln mit den herrlichen Gemälden und dem schönen, gemalten und übergoldeten Schnitzwerk, raubten die Tücher, zerschlugen drei Orgeln und zwölf Glocken, und theilten die Stücke unter sich, verdarben die Sacramente und warfen einander mit den Gebeinen der Landgrafen, die sie aus ihren Gräbern gerissen. Sie erbrachen die Sakristeien, nahmen, was sie fanden, zerstörten die kostbare Liberei, indem sie die Bücher zerhieben, zerrissen und im Hof verbrannten. Alle Fenster, Thüren, Tische, Stühle, Bänke, Betten und jegliches Geräth in dem Remter, dem Schlafhaus, dem Gasthaus, dem Siechenhaus, der Kirche wie der ganzen Abtei wurden zerschlagen und zerbrochen oder davongeschleppt und jeglicher Vorrath aufgezehrt oder verdorben.

Als endlich die schwere Hand der Rache auf die Uebelthäter fiel, wurde damit weder dem zerstörten Kloster, noch der zerstreuten, hirten- und obdachlosen Heerde der Mönche geholfen. Die meisten fanden sich zwar wieder ein und wollten wieder in das Kloster und nach alter Gewohnheit drinnen leben, es wurde aber von den Fürsten nicht gestattet, vielmehr wurden sie bedeutet, sie möchten ehrliche Handwerke erlernen, sich etwa verehelichen und der Welt nach Gottes Geboten nüglich werden. Mit Mühe erlangten der Abt und die ältern Brüder eine Unterkunft im Augusstinerkloster zu Gotha, wo sie jedoch nicht mehr ihrer Ordensregel folgen durften und weltliche Kleidung tragen mußten. Es gab kein Kloster Reinhardsbrunn mehr, und die Läuterungsflamme der Reformation war für die Klosterbrüder ein sehr schmerzliches Purgatorium geworden. Die Zeit selbst sang mit gewaltiger Stimme dem Kloster sein requiescat in pace, und im Frieden ruht es seitdem.

Quellen: