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Ludwig der Springer und sein Weib bereuen ihre Sünde

Wie nun der Graf von Thüringen wieder frei war und sein Gelübde erfüllt hatte, indem er den Kirchenbau angeordnet, kehrte er in die Arme seines ihn sehnlichst erwartenden Weibes nach der Schauenburg zurück. Dort aber fügte es Gott durch seine Gnade, die er in beider Gatten Herzen goß, daß sie Reue und Leid über das empfanden, was sie gethan hatten. Es war an einem Charfreitag, daß Frau Adelheid Wildpret und mancherlei Fische und Fleisch kochen und auftragen ließ und ihren Herrn und Gemahl sehr bat und nöthigte, davon zu essen. Darüber verwunderte er sich, erschrak und sprach: Frau, was soll das sein? Sollen wir Fleisch essen am guten Freitag, da Christus der Herr seine Marter für uns litt? Wie gar unziemlich wäre das einem Christen! Darauf erwiederte Frau Adelheid: Ist uns unziemlich, heute von dieser Speise zu essen, die uns vom Papst verboten ist, warum bleiben wir zu solcher heiligen Zeit ohne den Genuß des Leichnams Gottes und ohne Reue über unsere Sünde, die so groß ist, daß sie bis in den Himmel gestiegen und gewachsen ist; das ist Christen noch unziemlicher, als wenn sie am heutigen Tage Fleisch essen. Oft und viel ermahnt uns Gott zur Buße, der uns das Leben bisher erhielt und noch erhält und auch Dir aus Kerker und Fesseln half, wir aber veralten in unsern Sünden und werden ein Spott vor Gott und frommen Leuten.

Wie der Graf Ludwig diese Rede vernahm, schlug er die Augen zu Boden und begann heftig zu weinen und Frau Adelheid weinte mit ihm, so daß eine Weile keins ein Wort zu reden vermochte, bis einer der Diener in das Zimmer trat. Dem gebot alsbald der Graf, die noch unberührten Speisen hinwegzutragen und sprach dann zu seiner Hausfrau: Ich will Gott geloben und auch Dir, daß ich, sobald ich kann, gen Rom zum Papst ziehen und Buße für unsere Sünden von ihm mir auferlegen lassen will. Dann standen beide vom Tische auf und blieben den ganzen Tag über betrübt und ohne Speise. Gleich nach den Ostertagen stattete Graf Ludwig seine Kinder aus, ordnete sein ganzes Land und bestellte sein Haus, sandte auch nach dem Bischof von Halberstadt, einem gar frommen und weisen Mann, seinem besondern Freunde, und sie kamen mit einander überein, daß sie zusammen nach Rom ziehen wollten; bald darauf traten sie die Fahrt an. Zu Rom empfing Graf Ludwig der Springer von dem Papst Stephan, dem er seine Sünde beichtete, Absolution, unter der Bedingung, daß er ein Kloster stifte, wo es ihm am bequemsten scheine und sich selbst hinein begebe und seine That lebenslang bereue. Damit werde er Gott versöhnen, auch dem Kaiser, den Verwandten des ermordeten Pfalzgrafen und seiner eigenen Seele genügen. Seiner Gemahlin aber sollte er ein Gleiches zu thun anrathen, daß auch sie in einem Frauenkloster ihr Vergehen abbüße. Das Kloster aber sollte er in die Ehre St. Johannes, des Evangelisten, weihen lassen. So zog er seiner Heimath wieder getröstet zu.

Quellen: