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Wie Ludwig, der zweite Graf von Thuringen, sich vermählte

Der erstgeborne Sohn Ludwigs des Bärtigen war sechzehn Jahre alt, wie sein Vater zu Mainz verstarb. Er übernahm nun die Regierung des Landes und hielt sich redlich und weislich in allen seinen Geschäften. Wie sein Bruder Beringer verstorben war, kaufte er dessen Sohn Konrad die Herrschaft Sangerhausen ab, mehrte auch noch durch andere Besitzungen sein Land und Reich auf alle Weise, wie er nur konnte. Seine Freunde redeten ihm zu, sich zu vermählen, damit er immermehr an Verwandten, Macht und Ansehen gewinne und Hülfe und Rath empfange, so es ihm Noth thäte. Er ließ sich diesen Vorschlag wohl gefallen, und so freiten sie ihm die Tochter des Herzogs Ulrich von Sachsen. Als er sie jedoch heim auf seine schöne Schauenburg geführt hatte, ward sie sehr hoffärtig und ließ sich bedünken, ihr Gemahl sei ihrer gar nicht würdig, weil ihr Vater ein Herzog war, der seine aber nur ein Graf gewesen. Diese Frau that ihm in ihrem Stolz und Uebermuth so viel Schmach an, mit Worten, wie mit Werken, obgleich er ein junger, edler, gerader und freudiger Mann war, von schöner Gestalt und Bildung, daß er es endlich nicht mehr aushalten konnte und wollte und sie ihrem Vater mit dem Bedeuten zurück sandte, sie möge so lange wieder zu Hause bleiben, bis er ihr gut genug wäre. Wie sie zu ihren Aeltern kam, straften und schalten sie nicht nur diese, sondern auch alle Freunde und Verwandte so sehr mit harten Worten, daß es ihr stolzes Herz nicht zu ertragen vermochte, sie grämte sich tief und starb vor Schaam und Kummer noch in demselben Jahr.

Quellen: