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Schauenburg wird erbaut

Es war ein Herr vom Kaiserhofe in das Thüringerland gekommen, mit Namen Ludwig, den man darum, daß er einen langen Bart zu tragen pflegte, den er nie scheeren ließ, Ludwig mit dem Barte nannte, der wurde von des Kaisers und des Bischofs zu Mainz wegen ein Vißthum über Thüringen und Hessen und erbot sich den Grafen und Herren, den ehrbaren Leuten und Städten allen gar freundlich und handelte gütlich mit ihnen. Besonders machte er urbar und bebaute so manche Landstrecken in dem Thüringer Walde, wo vorher niemand wohnte, so die bloße Leube, das Thal, wo jetzt Reinhardsbrunn u. a., und erbaute die Dörfer Katterfeld, Altenberga und Brotterode. Daß er in den Thalgründen die Wälder ausroden ließ, Dörfer hineinsetzte und Waldland in Ackerland verwandelte, that er mit Gunst und Willen der benachbarten Grafen, vornehmlich derer von Gleichen, Mühlberg, Käfernburg u. a., von denen er auch ganze Landstrecken, Dörfer und Waldungen erkaufte, bebaute und Leute hineinzog.

Im Jahr eintausend und dreiundneunzig erwarb er Gunst vom Kaiser und dem Bischof von Mainz, nicht minder von den Grafen und Freien in Thuringen, daß ihm erlaubt wurde, ein eignes Schloß bei Friedrichrode und in der Nähe der andern Dörfer, die er erbaut hatte, aufzurichten, und baute auf einem Berg, sechs Acker Weglänge von Friedrichrode, der oben schmal und lang ist und auf jeder Seite eine springende Quelle hatte, eine gute und feste Burg und. sprach, da sie sich stattlich erhob: Nun schaue, welch eine Burg! So ward ihr der Name gegeben, daß man sie hieß Schaueinburg. Darauf hatte nun Herr Ludwig im Bart seine tägliche Residenz, hielt stattlich Hof, verköstigte viel Gesinde, baute mehr und mehr, und zog die Edeln des Landes zu sich, so daß man ihn gar lieb in dem Lande gewann. Großes Lob ist dem Vißthum im Lande Thüringen, Ludwig mit dem Barte, nachzurühmen; er hielt das Land in stetem Frieden, sühnte gern die Zwietracht, wo sie aufkam, und wie die Ortschaften unter ihm, so nahm er selbst zu an Reichthum, Macht und Ansehen. So kam Kaiser Konrad der Andere, sein Verwandter, nach Thüringen, der vernahm die Redlichkeit und Weisheit seines Vigthums und hörte von der Gunst, in welcher er im ganzen Lande stehe, und machte ihn zu einem Grafen zu Thüringen und das Land machte er zu einem Fahnenlehen und belehnte Ludwig damit und mit der Reichsfahne, doch so, daß jeglicher Graf, Freiherr und die, welche eigne Gerichte hatten, in ihren Rechten unverkürzt blieben. Auch gab der Kaiser dem neuen Grafen die alten Wappen der Lande Thüringen und Hessen. Das rauf freite Ludwig im Bart eine junge Wittwe, Schwestertochter des Herzogs von Braunschweig, mit Namen Cäcilia, die brachte ihm die Stadt Sangerhausen zu, und siebentausend Acker Artland, mit andern unzähligen Gütern und Zinsen, Dienstmannen, Schäfereien, Vieh, Wildbahnen, Fischweiden und gemünztem Geld, dazu versprach auch noch der Herzog, der diese Wittwe ihm an die Hand gelobte, ihm alle Hülfleistung und Förderung in jeglicher Angelegenheit. Das wurde eine festliche Hochzeit und danach führte Graf Ludwig seine Gemahlin auf seine Veste Schauenburg und hielt darauf in Lust und im Frieden stattlich mit ihr Haus.

Quellen: