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Landgraf Ludwig und der Krämer

So mild und gütig war auch der Landgraf Ludwig, daß alle armen Leute Trost und Hülfe bei ihm hatten, und wäre von seiner Tugend viel zu erzählen. Eines Tages war Jahrmarkt zu Eisenach, den besuchte er zur Kurzweil, und besah die Buden der Kaufleute, und was sie zum Verkauf ausgelegt hatten. Nun fand er einen armen Krämer, der hatte einen kleinen Handel mit Nadeln, Fingerhüten, Kindertrommeln und Flöten u. dgl. Den fragte der Fürst, ob er sich auch ernähren könne mit diesem Handel, und jener antwortete: Ach gnädiger Fürst, ich schäme mich, nach Brod zu gehen, und bin nicht stark genug, daß ich um Tagelohn arbeiten könnte, gern möchte ich von einer Stadt zur andern ziehen, und wollte mich mit Gottes Hülfe wohl durch diesen Kram ernähren, mich auch nach einem Jahr um eins so gut stehen, hätte ich nur freies Geleite. Da wurde der Landgraf von Barmherzigkeit gegen den Krämer erfüllt und sprach: Wohlan, Du sollst mein Geleite haben, und in allen meinen Gebieten zollfrei sein; wie hoch an Werth achtest Du Deinen Kram? Zehn Schillinge, Herr, erwiederte der Krämer. Der Fürst wandte sich zu seinem Kämmerer und sagte: gieb ihm zehn Schillinge und schicke ihm meinem Geleitsbrief, und zum Krämer sprach er: Ich will Dein Theilhaber werden bei der Krämerei, gelobe mir treue Gesellschaft und ich will Dich schadlos halten.

Der Arme war froh, zog weit und breit handelnd umher, und brachte am neuen Jahre seinem Herrn und Handelsgenossen säuberliche Kleinode, legte seinen Kram aus, der Herr nahm davon, was ihm gefiel, und kleidete jenen dann in die Tracht seiner Hofdiener. Von Jahr zu Jahr mehrte sich der Handel, und die Menge köstlicher Waaren wurde so groß, daß sie der Krämer nicht mehr selbst tragen konnte; er kaufte sich einen Esel, belud diesen mit zwei Körben, und zog mit ihm kaufend und verkaufend von Land zu Land.

So geschah es, daß der Krämer bis nach Venedig gezogen war und hatte dort köstliche und seltene Kleinode eingekauft, gute Ringe, güldne Spangen, Bänder, Kränze, Edelsteine, Trinkgefäße, Elfenbeinspiegel, Messer, Natterzungen und Korallen, Paternoster und dergleichen mehr, und kam nach Würzburg, legte dort alles zum Verkauf aus, um wieder Zehrung zu gewinnen, damit er zum neuen Jahr nach Eisenach ziehen könnte zu seinem gnädigen Herrn und Genossen wie immer bisher seine Gewohnheit gewesen. Da waren etliche fränkische Ritter, denen behagten die Kleinodien wohl, hätten sie gern ihren Weibern und Geliebten gegeben, hatten aber kein Geld, sie zu bezahlen. Darum lauerten sie auf den Krämer, als er von dannen zog, nahmen ihm den Esel sammt den Waaren und kehrten sich gar nicht an den Geleitsbrief des Landgrafen, den er ihnen vorzeigte, ja sie wollten ihn selbst gefangen nehmen, doch er entlief und kam traurig zu seinem Herrn auf die Wartburg, klagend, daß er den Kram verloren habe. Ihm aber antwortete der milde Fürst lachend: mein lieber Geselle, betrübe Dich nicht um unsern Kram, auch ziehe nicht weiter. Dann aber ließ er seine Grafen, Herren, Ritter, Knechte und Landleute entbieten zu einer Heerfahrt, und zog von Stund an gen Franken, suchte seinen Esel bis nach Würzburg, verbrannte und verdarb Feld und Orte und that großen Schaden. Deß erschrak der Bischof von Würzburg mächtig sehr und ließ ihn fragen, was er damit meinte? Der Landgraf ließ antworten, er suche seinen Esel, den ihm des Bischofs Mannen genommen hätten, da mußten jene den Esel wieder schaffen und den ganzen Kram zurückerstatten, wie er gewesen war.

Quellen: