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Wartburg wird erbaut

Es war Graf Ludwig, zubenamt der Springer, ein mächtiger Herr in Thüringen. Als derselbe einstmals am Inselberge jagte, traf er ein Stück Wildes, das er eifrig verfolgte, und ihm nachritt bis an das Flüßchen Hörsel, und bis gen Nieder-Eisenach, und von dannen wieder bis an den Berg, darauf jetzt die Wartburg steht. Dort blieb er und wollte warten, wo das Wild aus dem Walde lief, betrachtete derweil die schöne Gegend und vornehmlich den steilen Felsenberg, und dachte bei sich selbst und sagte: „Wart' Berg, Du sollt mir eine Burg werden!“ So mit großer Lust, auf den Berg zu bauen, trachtete er auf Mittel und Wege, es füglich zu beginnen, denn der Berg gehörte den Herren von Frankenstein, welche nahe dabei schon eine Burg besaßen, der Mittelstein genannt, (und war dieß vor der Wartburg die beste Burg in Thüringen,) aber jenseit des Waldes bei Salzungen dicht über der Werra ihr Stammschloß hatten.

Und der Graf hatte bei sich zwölf Ritter, tapfre freie Mannen, mit denen berieth er sich heimlich, als sie sich zu ihm gefunden hatten, wie er den Berg an sich brächte, und es ward also gehandelt, daß des Nachts vom Schaumberg, der dem Grafen eigen war, Erde in Körben auf den Wartberg getragen wurde und darauf gestreut, und der Graf schlug dann eine Burgfriede mit Gewalt auf, hinter der er sich vertheidigen konnte. Bald kamen die Herren von Mittel- und Frankenstein, konnten aber dem Grafen auf seiner Felsenveste nichts anhaben, verklagten ihn daher bei Kaiser und Reich, daß er sich des Ihrigen mit Gewalt freventlich anmaße. Auf des Reiches Befragen entgegnete der Graf: Er habe die Burg auf das Seine gebaut, wolle sie auch nach Urthel und Recht, seines Verhoffens, wohl behalten. Darauf erkannte das Reich, so er mit zwölf redlichen Männern beweisen und beschwören könne, mit leiblichem Eid, daß das Land, worauf er gebaut, sein wäre, solle er es behalten. Da erkor der Graf seine zwölf Ritter zu Eideshelfern, trat mit ihnen auf den Berg, steckten ihre Schwerter in die zuvor hinaufgetragene Erde und schwuren, daß ihr Herr, Graf Ludwig, auf dem Seinen stände, und schon vor Alters dieser Boden (nehmlich der hinaufgetragene) zum Lande und zur Herrschaft von Thüringen gehört habe. Damit behielt er den Berg.

Es war aber dazumal im Thüringerland, ja aller Orten, große Hungersnoth und großes Sterben, und erhielt durch den Burgbau das arme Volk sein Brod, um das allein es arbeitete. Der Graf ließ die Steine im Seeberg bei Gotha brechen und herführen, baute das Haus und Kemnaten und Thürme, wollte auch gar die Burg mit Kupfer decken und übergülden lassen, das Reich war aber dagegen, so ließ er sie mit Blei decken. Und als das Schloß gar köstlich gebaut war, baute der Graf auch die Ringmauer, darin das jetzige Eisenach liegt, denn zuvor war diese Stadt viel weiter von der Wartburg gelegen, und war ein offner Flecken am St. Petersberg, zwischen der Hörsel und Nesse. Es mußte zu diesem Mauerbau ein jedes Dorf im Thüringerland helfen mit Fuhren und Handreichung, und jedes ein Stück Mauer machen, von welcher verschiedenen Arbeit noch die Spuren ersichtlich sind.

Also ward die Wartburg erbaut und das jetzige Eisenach begründet und mit Mauern umgeben.

Quellen: