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Von den Goldkohlen auf dem Heerde

  Gulben

Eine Wittwe wollte einmal des Nachts Feuer anmachen, aber es gelang ihr nicht. Da schien es ihr, als ob hinter dem Hause ein grosses Feuer brenne. Sie sah genauer hin und erblickte verschiedene Jungen mit Hunden um ein grosses Feuer lagern. Sogleich ging sie zu ihnen hin und bat um die Erlaubniss, sich glühende Kohlen nehmen zu dürfen. Die Kohlen worden ihr gewährt. Als sie aber dieselben auf ihrem Heerde anfachen wollte, gelang ihr das nicht. Deshalb holte sie sich zum zweiten Male Kohlen, aber sie bekam davon wiederum kein Feuer. Zum dritten Male gestatteten ihr die Jungen zwar wieder, Kohlen zu nehmen, fügten aber die Drohung hinzu, käme sie noch einmal, so werde es ihr schlecht ergehen. Die Wittwe wagte nicht mehr; zum Feuer zurückzukehren, obgleich sie wiederum die Kohlen nicht hatte anfachen können. Da es überdies, wie sie jetzt merkte, noch mitten in der Nacht war, so legte sie sich wieder nieder und schlief ein. Als sie am andern Morgen erwachte, fand sie ihren ganzen Heerd voll Gold.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880