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Der Schatz im Kapellenberge bei Schmiedefeld

  M.II, Nr. 897. Vgl. jetzt B. Störzner, Die Masseney in Sage und Geschichte, Dresden 1927, S. 76f.

Im Innern des Kapellenberges ruht ein unermeßlicher Schatz, bestehend aus Gold und Edelsteinen. Derselbe wird von einem graubärtigen Männlein, einem Mönche, wie die Leute sich erzählen, bewacht. Der Schatz ist in einem hohen Gewölbe aufbewahrt, zu dem ein langer und weiter Gang führt. In manchen Nächten, wenn der Vollmond sein Licht über die Fluren ausgießt, ist der Eingang zu diesem unterirdischen Gewölbe am Berge deutlich sichtbar. Wer ihn sieht, dem ist der Weg zum Glücke geöffnet. Von den aufgehäuften Schätzen kann er dann nehmen, soviel er nur will; nur darf der Glückliche kein Wort sprechen, sonst schwindet der Schatz vor seinen Augen. - Vor Jahren, als noch die Postwagen zwischen Dresden und Bautzen verkehrten und die hellen Klänge des Posthorns in Schmiedefeld gehört wurden, wo die Reisenden kurze Rast zu machen pflegten, geschah es in einer mondhellen Frühlingsnacht, daß einem Postknechte, der eben am Kapellenberge vorüberfuhr, vom Berge her ein graubärtiges Männchen winkte. Der Postknecht halt die Pferde an, und da gerade niemand im Postwagen sitzt, steigt er vom Bocke herunter und geht beherzt auf die ihm winkende Gestalt zu. Ein kleiner Mann in brauner Mönchskutte fordert ihn auf, ihm zu folgen, aber auf dem Wege hin und zurück kein Wort zu sprechen. Es werde sein Glück sein. Das Männlein geht voran, furchtlos folgt ihm der Postknecht. Da öffnet sich plötzlich der Berg. Ein weiter und hellerleuchteter Gang liegt vor ihnen. Beide treten ein. Von den Wänden und der Decke des Ganges flimmert und glitzert es in wundervollem Glanze. Der Gang endet in einem hohen und weiten Gewölbe. Hier sind Goldstücke und Edelsteine in riesengroßen Braupfannen aufbewahrt. Der staunende Postknecht erhält nun die Weisung, nur zuzugreifen. Das tut er auch und füllt seine Taschen mit Goldstücken und Edelsteinen. Dann aber springt er vor freudiger Erregung auf das graubärtige Männlein zu, erfaßt dessen eiskalte Hand und ruft überglücklich aus: «Ich danke euch!» Doch, o weh! Da geschieht plötzlich ein donnerähnlicher Krach. Der Mönch verschwindet und stößt Klagerufe aus. Das ganze Gewölbe erbebt, und die Erde erzittert. Der Postknecht aber wird von unsichtbaren Händen erfaßt und fortgeschleudert, so daß er besinnungslos am Boden liegen bleibt. Als der Unvorsichtige aus seiner Ohnmacht erwachte, lag er draußen am Berge auf einem Feldrande. Jenseit des Grabens standen ruhig die Pferde mit dem Postwagen. Seine Glieder schmerzten furchtbar, und mit vieler Mühe erkletterte er seinen Kutschbock. Dann fuhr er in das Dorf hinein, wo man ihn längst erwartet hatte. Über das Erlebte schwieg er. Am andern Morgen fand er in seinen Taschen anstatt der Edelsteine und Goldstücken Lehmklumpen und kleine Feldsteine. So hatte der arme Postknecht durch seinen wohlgemeinten Dank das ihm so nahe Glück verscherzt. Er ist seit jener Nacht noch oftmals am Kapellenberge vorübergefahren, aber den Gang zu dem im Berge verborgenen Schatze hat er nicht wieder gesehen.

Quellen: