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Die Götzingerhöhe oder die acht Linden bei Neustadt

  Mündlich

Auf derselben Stelle, wo heute der von der Sektion Neustadt des Gebirgsvereins erbaute und Götzinger zu Ehren benannte Turm sich erhebt, stand vor alters der Galgen hiesiger Gegend und im Kreise herum grünten acht üppige Linden. Einst sollte der Henker an einem Manne den Spruch des Gesetzes vollziehen, der von den Schöppen für schuldig befunden worden war, der aber im Glauben an eine höhere rettende Gewalt seine Unschuld immer noch beteuerte. Zahlreiche Neugierige hatten sich zu dem traurigen Schauspiele eingefunden. Sie alle beschwor der Todeskandidat noch in letzter Minute nach dem wahren Thäter zu suchen. „Zum Zeugnis meiner Unschuld„, sprach er, „soll diese achte Linde nie mehr grünen, sondern verdorren!“ Schon nach kurzer Zeit blieb in der einen Linde, die nach Süd-Westen zu stand, der Saft aus; und es ward so die Unschuld des Hingerichteten offenbar. Viel später bekannte sich ein Mann in einem Nachbardorfe auf dem Sterbebette als den wahren Thäter. An Stelle der achten Linde findet man aber noch heute nur niedriges Strauchwerk.

Quelle: Sagenbuch der Sächsischen Schweiz; Herausgegeben von Alfred Meiche, Leipzig 1894, Verlag von Bernhard Franke