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Die Sagen von den Zwergen im Cottaer Spitzberg

  Gräße a. a. D., S. 150 ff. 
  v. Burchardi in Poenicke, Album der Schlösser und Ritterburgen im Kgr. Sachsen. Meißner Kreis, H. II. S. 23. 
  Mündlich.

Am südöstlichen Rande der sächsischen Schweiz liegt beim Rittergute Cotta der sog. Spitzberg. In diesem, sowie im Zwergloch am Hennersdorfer Wasserfall, hauste einst ein Volk von gutmütigen kleinen Leuten, die sog. Querxe. An ihre Thätigkeit erinnert noch ein langer, unterirdischer Gang, der vom Wasserfall bis zur Langhennersdorfer Kirche führen soll, das Volk aber erzählt sich folgende Sagen von den kleinen Leuten:

1. Einst hatte ein Zwerg sich in eine junge Menschentochter verliebt und ihr die Wohnung seiner Genossen am Wasserfalle gezeigt. Das Mädchen verriet jedoch das Geheimnis in der Beichte, und infolgedessen mußten alle fortziehen, worauf auch ihre Brüder aus dem Spitzberge sich ihnen anschlossen, mit Ausnahme einiger, welche zur Bewachung der Braupfanne Goldes, die im Spitzberge liegt, zurückblieben. An einem düsteren Novembermorgen, während ein dichter Nebel über der Erde lag, hörte man das Trippeln einer unzähligen Menge von kleinen Füßen, welche den Kirchweg herunter durch das Rottwernsdorfer Thal nach Pirna zogen und sich dort über die Elbe setzen ließen. Den Fährmann, der wegen des Nebels nicht sehen konnte, ließ der Zwergenkönig durch ein Glas sehen, und nun gewahrte er Kopf an Kopf die kleine Schar in seinem Kahne stehen. Mehrmals mußte er die Fahrt wiederholen, und als er alle übergesezt hatte, da fand er so viel Pfennige in seinem Kahne, daß er sie nicht zählen konnte, sondern mit der Metze messen mußte und dadurch ein reicher Mann ward. Die Querxe sollen sich nach der Oberlausitz gewandt haben, das Mädchen aber, welche das Geheimnis verraten hatte, starb bald nachher an gebrochenem Herzen; doch niemand weiß, ob jene einst, wie sie versprochen, wiederkommen werden, und dann der Bergbau im nahen Städtchen Berggießhübel wieder aufleben wird.

Der Eingang zu der noch jetzt von den zurückgebliebenen Querxen bewohnten Höhle des Cottaer Berges ist nur alle neun Jahre, wenn das umstehende Laubholz geschlagen ist, eine kurze Zeit, und auch dann nur in beträchtlicher Entfernung vom Berge auf der südlichen Seite sichtbar, kommt man aber in die Nähe der wahrgenommenen Stelle, so ist die Oeffnung so mit Steinen versetzt, daß man irre wird und sie nicht wieder finden kann. Im Jahre soll aber die Höhle einen Tag lang für jederman offen stehen.

2. Einst war eine Frau oben am Berge grasen, als gerade die Mittagssonne gewaltig heiß schien, so daß die Frau in das Gehölz ging, um etwas auszuruhen; da befand sie sich plötzlich vor einer offenstehenden Höhle, in welcher längs der Wände Bänke und in deren Mitte eine Tafel stand. Auf eine dieser Bänke setzte sie sich nieder, nahm aber dabei ihre Haube ab; nach einiger Zeit ging sie jedoch wieder an ihre Arbeit, vergaß aber ihre Haube mitzunehmen und erst auf dem Heimwege dachte sie daran; sie kehrte zwar sogleich zurück, allein sie fand keine Höhle mehr und mußte ohne Haube nach Hause gehen. Da sie sich jedoch den Tag gemerkt hatte, wo ihr dies geschehen war, so kehrte sie das nächste Jahr an demselben Tage wieder an jenen Ort zurück, fand die Höhle offen, und auf demselben Orte, wo sie die Haube hingelegt hatte, da lag sie auch jezt noch.

3. Ein anderes Mal ging eine Frau, um Gras zu holen, auf den Berg und nahm ihr kleines Kind mit, weil sie niemand hatte, der es warten konnte. Auch sie fand die Höhle offen und darin eine Anzahl kleiner Männchen, welche sie bat, das Kind, während sie grase, in Obacht zu nehmen. Diese thaten es auch, und als die Frau fertig war, gaben sie ihr das Kind zurück und außerdem eine Semmel, die sie, als sie nach Hause kam, in Gold verwandelt fand.

4. Einst ging eine arme Frau, die sich in schwerer Not befand, auf den Cottaer Spitzberg; da trat aus dem Gebüsch ein kleines Männchen auf sie zu und drückte ihr ein Päckchen in die Hand, welches sie aber vor Schrecken in die nahe dabei liegenden Steine schleuderte; später besann sie sich aber eines Besseren, kehrte zurück, fand zwar das Päckchen nicht mehr, wohl aber unter den Steinen einige alte Silbermünzen.

5. Noch 1854 lebte in Cotta ein Mann, der behauptete, er sei als Knabe mit einem Schulkameraden auf dem Berge herumgeklettert und habe sich plötzlich vor der offenstehenden Höhle befunden; sie wagten aber nicht einzutreten, sondern liefen entsetzt den Berg hinunter, und konnten späterhin trotz alles Suchens die Stelle nicht wieder finden. Diese Geschichte erzählt der Gutsauszügler Hanzsch in Klein-Cotta von seinem Vater.

6. Endlich sah man in einer dunklen Nacht drei Zwerge mit langen, weißen Bärten, in dem lange Zeit unbewohnten, nach der Abendseite gelegenen Eckzimmer des Cottaer Herrenhauses sizen und bei dem in das Gemach fallenden Mondenlicht in einem großen Buche lesen. Das sind die Hüter des Schatzes.

Quelle: Sagenbuch der Sächsischen Schweiz; Herausgegeben von Alfred Meiche, Leipzig 1894, Verlag von Bernhard Franke