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Der Wichtel Rache

Am rothen Berge im Bechstädter Felde bei Kammerforst hielt sich vor alten Zeiten tief im Schoße der Erde eine Wichtelkolonie auf. Die kleinen Wesen zeigten sich gegen die Einwohner des Dorfes, mit denen sie zuweilen in Verkehr kamen, immer freundlich und freigebig, nur mußte man sich wohl in Acht nehmen, sie nicht zu beleidigen, denn sie waren empfindlicher Natur, dabei boshaft und rachsüchtig.

Einst ackerte ein Bauer aus Kammerforst auf seinem Felde am rothen Berge. Als er nach einiger Zeit an den Pflug gelehnt, ein wenig ausruhte und verschnaufte, vernahm er unter sich tief in der Erde ein dumpfes Gemurmel. Daß dieses von den Wichtelmännern herrühre, war ihm gewiß , und neugierig , was die kleinen Leute unter der Erde wohl treiben und verhandeln möchten , legte er lauschend sein Ohr auf den Boden des Ackers . Da hörte er starkes Klopfen, wie wenn Jemand heftig an eine Thür pocht, und dazwischen rief eine Stimme : „ Knetet euren Teig und bringt die Kuchen rasch in's Backhaus!„

Der Wichtel, welcher die Weiber zum Kneten rief, ging wahrscheinlich, wie die Bäckerjungen thun, weiter, und rief einen andern Haushalt, denn nach kurzer Weile ließ sich dasselbe Klopfen hören und der Bauer vernahm dieselben Worte; wieder war es still, dann geschah dasselbe Klopfen mit derselben Aufforderung. „Wenn da unten gebacken wird, “ rief der Bauer aus Leibeskräften, „so will ich mir ein tüchtiges Stück Kuchen bestellen! „ Keine Antwort erfolgte, Alles blieb ruhig.

Als nun die Mittagszeit heranrückte und die Thurmuhr in Kammerforst das Zeichen zur Rast gab, schirrte der Bauer sein Pferd ab und ritt nach Hause. Noch war aber das Feld nicht vollständig geackert, deshalb zog er Nachmittags mit dem Gaule noch einmal hinaus, die übrige Arbeit zu thun; aber wie staunte der Mann, als er auf der Pflugschar ein großes Stück Kuchen fand , so warm und friſch, als sei er eben erst aus dem Ofen gekommen . Der Bauer ging lange mit sich zu Rathe, was er wohl thun solle, der Kuchen roch aber so lieblich und einladend, daß er zuleßt alle Bedenken beiseite ließ und den Kuchen verzehrte.

Er schmeckte vortrefflich. Noch war der Bauer damit nicht ganz fertig, da stand plötzlich ein kleines häßliches Männchen mit einem gewaltig dicken Kopfe und verfilzten Haaren neben dem Pfluge. Der Bauer erschrak, daß ihm der Bissen im Munde stecken blieb; das Männchen aber lächelte und fragte ganz freundlich: Nun, hat dir der Kuchen geschmeckt? “ „Ei freilich,“ antwortete der Bauer, dem die freundliche Frage Muth zur Antwort gegeben hatte, könnte ich nur täglich ein solches Stück Kuchen verzehren! „ “ Dazu kann wohl Rath werden, „ entgegnete der Wichtelmann; „sobald du Lust nach Kuchen hast, so schlage nur mit dem Rüthchen, das du oben am Gewendesteine finden wirst, an die Ofenröhre und sprich:

„Eins, zwei, drei,
Wichtel schaff‘ Kuchen herbei!“

Du darfst aber keinen Kuchen verschenken, auch nicht verplaudern, woher du den Kuchen hast. “ Nach diesen Worten war der kleine Mann wieder verschwunden.

Erfreut über diese tröstliche Zusage, trieb der Bauer seinen Gaul an, pfiff ein lustiges Lied und pflügte seinen Acker; als er aber an den genannten Gewendestein kam, lag richtig die versprochene Haselgerte da. Sorgfältig verbarg er sie unter seinem Wams, und so oft ihn später das Verlangen nach Kuchen ankam, und es stellte sich oft ein, schlug er mit der Gerte an die Ofenröhre, sagte sein Sprüchlein und fand jedesmal ein großes Stück des besten Kuchens.

Nach einiger Zeit war Hochzeit in seinem Hause; seine Tochter hatte ein reicher Bursche des Dorfes geheiratet. Bei dieser Hochzeit ging es gar hoch her, die ganze Freundschaft und Verwandtschaft war geladen und die Gäste ließen sich's trefflich schmecken, so daß bald Alles im Hause aufgezehrt war. Um Mitternacht verlangen die Gäste nochmals Kuchen, und obwohl der Hochzeitsvater ihnen versichert, daß auch nicht das kleinste Stückchen mehr vorhanden sei, so bestehen sie dennoch auf ihrer Forderung und verspotten und höhnen den Bauer, daß er seine Gäste hungrig wolle heimgehen lassen.

Solcher Hohn und Spott war dem Bauer ärgerlich und empfindlich. „Ei,“ dachte er, es wird ja nichts schaden, wenn du einmal die Vorschrift des Wichtels übertrittst, „ und schnell griff er nach der Haselruthe, ging damit zur Ofenröhre und sagte sein Sprüchlein her. Nach kurzer Weile lag ein großes Stück Kuchen darin. Er setzte ihn seinen Gästen vor und diese fanden ihn so vortrefflich, daß sie noch mehr verlangten. Nochmals schlich der Bauer mit seiner Gerte zum Ofen, wiederholte sein Zauberwort, aber als er die Röhre öffnete, fand er darin nicht Kuchen, sondern, o Schrecken! einen Saukoth.

Sogleich stieß er in seinem Aerger einen Fluch über die heimtückischen Wichtel aus und drohte den ersten, der ihm wieder in den Weg komme, halbtodt zu schlagen. „Nimm dich in Acht,“ antwortete eine dumpfe Stimme, welche der Bauer als des Wichtels Stimme erkannte, daß nicht an dich zuerst die Reihe kommt.“

Noch saßen die Gäste lustig und guter Dinge am Tische und tranken aus großen Krügen einander den Abschied zu, da ging die Scheune des Hofes in Flammen auf, und wie sehr man sich auch bemühte, dem Feuer Einhalt zu thun, in kurzer Zeit war auch das Wohnhaus ergriffen und ehe der Morgen graute, lag der ganze Hof in Schutt und Asche , den Bauer aber fand man todt und entstellt hinter einer Lehmwand liegen .

Die Wichtel sollen darauf ihre Stätte für immer verlassen haben und in den Hainich gezogen sein.

Quellen: