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Von einer wunderbaren Rettung der Stadt Weimar

  Wette , Hiftor. Nachrichten der Residenzstadt Weimar, 1737, S. 229 .

Im dreißigjährigen Kriege wollte eine feindliche Partei Weimar überfallen und plündern und hatte sich in der Nacht am Ettersberge gelagert. Kein Mensch hatte etwas davon gewußt. Da geschicht es, daß dem jungen Herzog Johann Ernst, als er sich eben in's Bett gelegt hatte, ein kleines weißgekleidetes Knäblein vor das Bett kommt, ihm zuruft und spricht: „Mein Herrchen , es ist eine große Gefahr vorhanden, feindliche Soldaten wollen Weimar plündern, es kann aber solches noch abgewendet werden; darum stehet auf und saget solches eurem Herrn Vater.„ Nach solcher Rede geht das Knäblein wieder weg. Der Prinz steht auf und verlangt vom Kammerdiener, daß er ihn in seines Vaters Schlafgemach führe; dieser weigert sich anfangs, aber der Prinz läßt nicht ab, bis ihn der Kammerdiener hineinführen muß , und da erzählt er, was er eben gesehen und gehört hatte. Der Herzog hat aber diese göttliche Warnung wohl beachtet, ließ die Sache sogleich näher untersuchen, und da man dieselbe so befand, so wurde durch geeignete Mittel das Unglück von der Stadt abgewendet.

Man erzählt die Sage auch so: Als in den Zeiten des dreißigjährigen Krieges der Herzog Wilhelm IV. in seinem Bette liegt, steht plötzlich sein verstorbenes Kind vor seinem Bette, weckt ihn und zeigt auf die nicht weit davon stehende Rüstung, als ob er sie anlegen solle. Der Herzog springt erschrocken auf, legt die Rüstung an und folgt dem Kinde bis in den Schloßhof, wo dasselbe verschwindet. In derselben Zeit ertönt die von unsichtbarer Hand geläutete Sturmglocke, deren Ton über die Stadt hindringt . Die Bürger und Soldaten springen entsetzt von ihrem Lager auf und eilen bewaffnet vor das Schloß, von wo aus man dem Feinde entgegenzieht, denn schon sind Boten angelangt und melden, daß hinter dem Ettersberge her feindliche Soldaten ziehen. Durch diese Fügung entging Weimar einem schrecklichen Schicksale.

Quellen: