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Der Jägerstein am Schneekopf

  L. Storch, in Thüringen und der Harz, VI , 86 ff.
  L. Bechstein, der Sagenschaß der Thür . Landes , III , 151 ff .    
  Mündlich

Abseits vom Wege, der von der Schmücke nach dem Schneekopf führt, steht etwa 50 bis 60 Schritte weit im Walde nach Nordosten zu ein einfacher Stein, ohngefähr 3 Fuß hoch. Das ist der Jägerstein, den die Besucher des Schneekopfes gern aufsuchen. An seinen beiden Seiten ist folgende Inschrift zu lesen: „Anno 1690 den 16. September ist Hr. Johann Valentin Grahner F. S. F. zu Gräfenrode von seinem Vetter als Schwestersohn Caspar Greiner unversehends erschossen worden. „Darunter stehen drei Kreuze und ein Jägerhorn. Von diesem Steine erzählt man folgende Sage:

Caspar Greiner war Jägerbursche bei seinem Ohm, dem Förster Grahner in Gräfenrode, und der beste Schütze auf dem Thüringer Walde. Sein Jagdglück erregte den Neid des Försters und er dachte Nacht und Tag darauf, seinen Neffen um den schönen Schützenruhm zu bringen. Da er selbst kein Mittel ausfindig machen konnte, so er auf böse Wege und ging zu einem alten Weibe, das über dem Gebirge in einem Walddorfe wohnte. Das Weib war in der ganzen Umgegend übel berüchtigt und Niemand traute ihr über den Weg.

Nicht lange nachher ging der Jägerbursche fröhlich und guten Muths auf den Anstand an die Kuppe des Schneekopfes. Bald hört er auch ein Thier durch den Wald kommen und bald darauf sieht er einen prächtigen Vierundzwanzigender vorüberschreiten, wie ihm noch niemals ein Hirsch vorgekommen war. Er legt an, schießt und der Hirsch springt unverletzt davon. Der Jäger ist über diesen Fehlschuß nicht wenig betroffen, er vermag nicht zu glauben, was ihm begegnet ist, er sucht nach Schweiß, aber vergebens, der Hirsch ist eben gefehlt. Im höchsten Unmuthe kehrt er heim in's Forsthaus nach Gräfenrode und am anderen Morgen ist er ganz verstimmt. Sein Unmuth wird noch vermehrt, da der Förster seinen Spott und Hohn nicht unterdrücken kann, daß er gestern Abend ohne Beute heimgekehrt sei und gewiß den schönen Hirsch gefehlt habe, von dem die Köhler am Schneekopf ihm gestern erzählt hatten. Verdrießlich und ärgerlich geht der Jägerbursche bei guter Zeit aus dem Forsthause fort in den Wald und gegen Abend wieder auf den Anstand am Schneekopf. Er hat seine Büchse wohl geladen, Alles ist in bester Ordnung; der Hirsch tritt wieder aus dem Gebüsch, der Jäger schießt und - fehlt abermals. Auf und davon ist das schöne Thier. Verzweiflung erfaßt jetzt den Jäger; noch am anderen Morgen irrte er im Walde umher und er will nicht wieder nach Hause, um nicht neuen Spott und Hohn zu erfahren. In diesem Zustande der Verzweiflung begegnet er dem alten Glasmeister aus der nahen Glashütte Gehlberg, der ihn kennt und über sein verstörtes Wesen nicht wenig. verwundert ist. Auf das Bitten und Drängen des Glasmeisters erzählt der Jägerbursche sein Unglück. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu,“ erklärt der alte Glasmeister; „hier ist ein Zauber im Spiele. Schweige gegen Jedermann und komm', wenn der Mond voll ist, auf die Glashütte, da wollen wir um die Mitternachtsstunde eine gläserne Kugel machen und ich will den Segen darüber sprechen. Eine solche Kugel zerstört jeden bösen Zauber. „

Der Jägerbursche befolgt diesen Rath; die gläserne Kugel wird in der gehörigen Weise gefertigt und in die Büchse geladen. Am nächsten Abende geht Greiner auf den Anstand. Der Hirsch tritt bald hervor und schreitet fast höhnend vorüber; der Jäger legt an, zielt scharf, der Schuß fällt und der Hirsch bricht zusammen. Jubelnd eilt der Bursche hinzu und findet zu seinem Entsetzen seinen Oheim, den Förster, im Blute liegen.

Auch das Kirchenbuch in Gräfenrode sagt aus, daß der Förster erschossen worden sei „in Verblendung einer Hirschgestalt“.

Quellen: