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Der Schenk von Varila versöhnt Landgraf Heinrich und Elisabeth

  Dür. Chron. S. 377 ff.

Unter diesen Grafen und Herren war keiner so geschickt im Reden als Herr Rudolf von Varila, der Schenk. Diesen baten die Herren insgesammt, daß er ihrer aller Wort bei dem Landgrafen Heinrich und seinem Bruder führen möchte, und das that er. Sie gingen zu dem Fürsten, umringten ihn und der Schenk hub also an: „Herr, alle meine Freunde und eure Mannen, die hier gegenwärtig sind, haben mich gebeten mit euch zu reden. Wir haben gehört und vernommen in Franken und auch hier in Thüringen von euch solche Unmilde, daß unser Gemüth erschrocken ist und unser Angesicht von Scham gefärbt ward, darüber daß an euch solche Unseinheit, Untugend und Hartherzigkeit erfunden ist. Ei, junger Fürst, was habt ihr gethan! Wer hat euch das gerathen, daß ihr eures Bruders Weib, die betrübte Witwe, die Tochter eines edeln Königs, die ihr billig getröstet und geehrt haben solltet, ohne Ursache aus euerm Schloß und aus euern Städten gewiesen habt, wie ein übelthätiges schnödes Weib, da doch ihr schöner Leumund aller Orten und Enden dem widerspricht, und habt sie so gar unedel und unfein verstoßen und in eurer Stadt darben und Mangel leiden lassen gleich einer Bettlerin? Und eures Bruders kleine Waisen, die ihr solltet erzogen und in redlicher Vormundschaft gehalten, denen ihr Liebe und Güte solltet bewiesen haben, die habt ihr lästerlich von euch gewiesen ! Wo war da eure brüderliche Treue? Solches hat euch euer seliger Bruder, der tugendsame Fürst, nicht gelehrt, der das nicht dem geringsten seiner ehrbaren Mannen gethan hätte. Wie mögen wir wohl Treue und Gnade bei euch suchen, dieweil ihr solche Untreue bewiesen habt?„

Zu diesen Reden schwieg der Landgraf; er wußte vor Scham nicht, was er darauf antworten sollte, und schlug sein Haupt nieder. Da hub der Schenk wieder an: „Herr, was habt ihr von der kranken, verlassenen, betrübten Frau gefürchtet, die aus einem fremden Lande ohne Freunde und Verwandte hier gewesen ist, und was würde euch die heilige und tugendsame Frau gethan haben, selbst wenn sie alle eure Schlösser inne gehabt hätte? Wie gar untugendlich lautet das, wenn man dessen in andern Ländern gedenket ! Pfui der Schande, die von Fremden und Bekannten nun unsere Ohren oft hören müssen! Ihr habt sehr übel daran gethan. Ihr habt ohne Zweifel Gott erzürnet, euch selbst Unehre angethan, das ganze Thüringerland gelästert und den fürstlichen Leumund geschwächt, und wahrlich ich fürchte, daß die Rache Gottes über dieses Land kommen wird, es sei denn, daß ihr gegen Gott das büßet und euch gütlich mit der frommen Frau sühnet und ihr das wieder gebet, das ihr und eures Bruders Kindern von euch gekürzt worden ist.“

Alle Grafen, Ritter, Herren und Knechte, die da gegenwärtig standen, verwunderten sich, daß der Schenk so kühnlich mit dem Fürsten redete. Dieser aber begann heftig zu weinen, daß er lange nichts antworten konnte; endlich aber sprach er: „Was ich gethan habe, das ist mir herzlich leid und denen, die mir solchen Rath gegeben, mag ich nimmer wieder hold werden, darum daß ich meiner Schwester Elisabeth Huld und Freundschaft wieder erlange; Alles, was sie von mir will, werde ich gerne thun und ihr sollet Macht haben, das in's Gleiche zu bringen, soweit mir Leib und Gut reichen mag.„ Da sprach der Schenk: „Das ist recht !“

Darauf trösteten die Grafen und Herren die trostlose Wittwe und sagten ihr, daß sie mit ihrem Schwager, dem Landgrafen Heinrich, ihretwegen geredet hätten und daß er gesagt, er wolle sich freundlich mit ihr versöhnen und was sie von ihm begehre und haben wolle, das würde er gerne und willig thun, darüber hätte er ihnen volle und ganze Macht gegeben. Da sprach die heilige Frau: „Seiner Burgen und Städte, seines Landes und seiner Leute und alles dessen, davon man der Leute wegen nur Sorge und Bekümmerniß hat, begehre ich nicht. Nur so viel als mir von Rechts und meiner Mitgift wegen gehört und das Leibgedinge meines seligen Mannes, das bitte und begehre ich von ihm mir zu geben und folgen zu lassen, wohin ich will, zum Heil und zur Seligkeit meiner lieben Freunde. „ Nach diesen Worten brachten die Herren den Landgrafen Heinrich zu ihr; der bat sie freundlich und um Gottes willen, ihm zu vergeben, was er an ihr gethan hätte, es wäre ihm leid, und er wolle ihr das vergüten nach Schuldigkeit und Vermögen und nahm sie freundlich in seine Arme. Da begann die selige Frau also bitterlich zu weinen, daß der Landgraf mit ihr weinte und die Herren, die mit dem Landgrafen Ludwig außer Land gewesen waren, erneuerten ihre Betrübniß und Klage, daß sie einen so tugendsamen und gnädigen Herrn verloren hatten. Dann nahmen sie Urlaub vom Landgrafen Heinrich, seinem Bruder und ihrer Mutter und von der heiligen Elisabeth und baten nochmals, daß man ihr Gutes thun möchte; dann ritt ein jeder heim zu seinen Freunden.

Quellen: