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Elisabeth macht einen Blinden wieder sehend

  Rebhan histor. eccles. Isenac. S. 51 sq. Mspt.

Eines Tages ging die heilige Elisabeth zur Mittagszeit in die Kirche ihre Andacht zu verrichten und begegnete unterwegs einem armen unglücklichen Menschen, der blind von Geburt war und in seinen Augenhöhlen keine Augen hatte, so daß ein Jeder sich über diesen Anblick entsetzte. Zu diesem ging die fromme Fürstin hin und fragte ihn, was er hier thue. Ich weiß es nicht„, antwortete jener, „denn ich kann nicht sehen und nicht von dem einen Ort zu dem andern ohne Führer gehen. Wenn ich das Gesicht hätte, wollte ich lieber mit meiner Hände Arbeit meinen Unterhalt suchen, als blind mit Betteln. So aber bin ich weder Andern, noch mir selber etwas nütze und beklage wohl mit Recht mein Schicksal.“ Elisabeth sprach: „Gott hat dir zu deinem Besten dieses Kreuz auferlegt, ohne welches du Gott vergessen und gewiß in allerlei Sünden verfallen würdest.“ „Ich würde das sicher nicht thun,“ entgegnete jener, „sondern die Sünde über Alles meiden und mit Fleiß und Arbeit meines Lebens Unterhalt zu verdienen suchen.„

Als dieses die fromme Fürstin hörte, befahl sie ihm, seine Bitten mit den ihrigen zu vereinigen und Gott mit ihr im heißen Gebet anzurufen, daß er das Gesicht ihm schenken möchte. Und obwohl jener entgegnete, daß dieses Gebet umsonst sein würde, da er ja blind geboren wäre, so beharrte sie doch dabei und sprach: „Zweifle nicht an der göttlichen Allmacht, denn Gott vermag Vieles über unser Bitten und Verstehen zu thun, wenn wir nur den rechten Glauben haben.“

Darauf fielen Beide auf ihre Knie und sprachen in dem echten Geiste und in der Wahrheit ihre Gebete zu Gott. Noch waren dieselben nicht ganz beendigt, da fingen dem Blinden die Augen wunderbar zu wachsen an, daß er gut und wohl sah, alsbald aufstund und Gott und der frommen Fürstin freudig Dank sagte. Diese aber sprach zu ihm: Gehe hin und diene Gott in wahrer Frömmigkeit und Demuth, arbeite und enthalte dich der Sünde.„

Quellen: