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Das Steinbild am Oberschloss zu Kranichfeld

  Brückner Landeskunde des Herzogthum Meiningen II, 792.
  Bechstein Deutsches Museum II, 183 ff.

An der alten äussern Mauer des Oberschlosses zu Kranichfeld befinden sich verschiedene ungethüme Steinbilder, darunter auch das Bild eines Mannes, das in gleicher Gestalt öfters an alten Bauten vorkommt. Auf dem Oberschlossze, so erzählt man, wohnten zwei Brüder, Wolfer und Lutger. Sie kamen einst in einen heftigen Streit, so dass sie von einander ziehen und ihre Güter theilen wollten. Und das geschah. Sie waren mit der Theilung fertig, da sprach Lutger, der jüngere Bruder , welcher die Burg verlassen sollte, auf den Berg deutend, wo jetzt Niederkranichfeld liegt: dorthin will ich meine Burg bauen.„ Darüber lachte Wolfer und entgegnete: „ wenn dieser Bau zu Stande kommt, will ich thun, was noch keiner gethan hat und Keiner thun wird.“ „Es gilt,“ sprach Lutger“, ein Ritter hält sein Wort.„

Die Burg wurde zu Wolfers Schrecken vollendet und der Bruder war grausam genug auf der Erfüllung jener Zusage zu bestehen, obwohl er wusste, dass es Wolfer damit ans Leben ging, aber er kam dadurch zugleich in den Besitz der Oberburg und des dazu gehörigen Landes. Auch liess er seinen Bruder in gezwungenster Stellung an einem Erker des Cberschlosses in Stein hauen und dieses Bild zeigt man noch heute als des Schlosses Wahrzeichen.

Man erzählt aber noch eine andere Sage von dem unanständigen Bilde an der Schlosszecke in Oberkranichfeld. Einst war das Schloss heftig belagert. Der Kommandant wurde zur Uebergabe aufgefordert, vermass sich aber hoch und theuer, ehe er das Schloss übergebe, wolle er jenes thun. Allein tross seiner tapfern Gegenwehr und schweren Verheissung wurde das Schloss doch eingenommen und die Feinde waren so grausam vom Kommandanten die Erfüllung seines Wortes zu verlangen. Da diese ihm aber unmöglich war, so schlugen sie ihm das Rückgrat entzwei und zwangen ihn in die unnatürliche Stellung, in der er elendiglich starb. Das Steinbild verewigt die unbedachte Verheissung und der Feinde Grausamkeit.

Quellen: