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Sagen von Möbisburg - 3.Sage

  Thuringia. 1842. S. 67 ff.

Der Schulmeister in Möbisburg ging einmal noch in dunkler Nacht in die Kirche zum Frühläuten. Da lag ein feuriger Hund vor dem Altare. Darüber erschrack der Schulmeister so heftig, dass er den dritten Tag darauf starb. Nach seinem Tode mussten nun zunächst die jungen Burschen der Reihe nach, jedesmal zwei, zur Frühkirche läuten. Da geschah es, dass einmal zwei gute Freunde zusammen auf den Thurm stiegen. Der eine hatte den andern in der Nacht abgerufen, in der Meinung, dass es bald fünf Uhr sei. Als sie den Thurm erstiegen haben, schlägt es aber erst zwölf, zugleich hören sie auch ein Geräusch auf dem Gottesader. Zur Thurmluke hinausschauend erblicken sie im Mondschein einen Fremden, der hastig über die Gräber läuft, auf einem Grabe niederkniet, es aufscharrt, den Todten entkleidet, auf die Achsel wirft und mit ihm von dannen rennt. Was gilts,„ spricht der eine Bursche zu dem andern“, ich hole mir das Leichentuch da unten.„ Der andere sucht ihn davon abzubringen so gut er kann, aber der verwegene Bursche hört nicht, holt das Leichentuch und kommt damit auf den Thurm zurück.

Nach einer Weile kommt der Fremde mit dem Todten auf der Achsel wieder zurück, wirft ihn hin und vermisst, als er ihn wieder ankleiden will, das Leichentuch. Sogleich ruft er zum Thurmloche hinauf, an dem die erschrockenen Burschen stehen: „ gib das Leichentuch zurück!“ Weil aber der Bursche nicht Folge leistet, so sehr ihn auch sein Freund bittet, so reisst jener Fremde sofort die Thurmthür auf und stürmt die Treppe hinauf. In ihrer Angst kriechen die beiden Burschen unter die Glocke, weil man unter Glocken vor Gespenstern und allem Bösen sicher ist. Der Fremde rennt und tobt um die Glocke herum, doch ohne sie anzurühren. Weil aber ein kleiner Zipfel des Leichentuchs hervorsah, erfasst er es und trabt mit ihm die Stufen hinab. In dem Augenblicke aber, als er unten den Todten erfasst um ihn zu bekleiden, schlägt die Thurmuhr eins. Da sahen die Burschen am Thurmloche, wie er Leiche und Leichentuch hinwirft und gleich dem Sturmwinde entflieht. Am andern Morgen fand man die Leiche auf dem Gesichte liegen und über dieselbe das Leichentuch gebreitet.

Quellen: