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Sagen von Möbisburg - 1.Sage

  Thuringia. 1842. S. 67 ff.

Am nördlichen Ende des Dorfes Möbisburg erhebt sich eine runde mässige Anhöhe, theils von der Natur, theils von Menschenhänden so gebildet und geschaffen. Oben, wo jezt die Kirche und der Gottesacker liegt, stand vor alten Zeiten eine Burg, daher den Hügel noch heute das Volk den Burgberg nennt.

Auf dieser Burg, erzählt die Sage, wohnte in uralten Zeiten ein mächtiger Fürst, dem das ganze Land weit und breit umher gehörte. Aber er hasste den Frieden, führte das ganze Jahr Krieg und je mehr er Feinde hatte, desto lieber war es ihm. Lange war er glücklich in diesen Kriegen, zulesst aber zogen der Feinde zu viele gegen ihn, schlugen ihn überall aus dem Felde und belagerten endlich seine Burg. Der Burgberg ragte damals aus einem See empor, der das ganze Thal bedeckte und erst später durch Mönche abgeleitet worden ist. Der belagerte Fürst hielt sich sicher vor den Feinden auf seiner Burg im See, aber der Hunger zwang ihn endlich die Burg den Feinden zu übergeben. Die Feinde wollten Niemand freien Abzug gestatten, nur die Fürstin sollte frei abziehen mit soviel ihrer Habe, als sie zu tragen vermöchte, doch sollte dabei nichts Lebendiges sein. Da versteckte sie ihren Gemahl in eine Lade und trug die Last zur Burg hinaus, über die Brücke und durch die Feinde hindurch. Noch war sie in der Nähe der letzten Kriegsknechte, als der Fürst an den Deckel der Lade klopfte und ihr zurief: „mach auf, mir fehlt es an Luft.“ „Ich darf noch nicht,“ flüsterte die brave Frau zurück, „die Feinde sind noch ganz nahe. „Abermals nach einer Weile pochte der Fürst an die Lade, und abermals erwiederte sie: „ich darf noch nicht, die Feinde schauen uns nach; harre noch ein Weilchen, bald find wir im Walde. “ Endlich schirmt sie der dichte Wald, da setzt sie Gott dankend die schwere Last ab, öffnet die Lade und findet ihren Gemahl todt in derselben. Jammernd hebt die Fürstin die Lade noch einmal auf ihre Schultern, um der Leiche ein ehrliches Grab zu verschaffen. Als sie nach Riechheim kam und die Bauern, denen sie früher Gutes gethan, um eine kurze Rast und ein Grab für ihren Gatten bat, erlauben ihr diese nicht einmal nieder zu sizen, sondern jagen sie fort über die Grenze. Schweigend und bitter weinend geht die Fürstin weiter mit ihrer Bürde. Im Walde ruht sie die Nacht unter einer Eiche, die man noch lange gezeigt hat, und dann kommt sie nach Osthausen. Die Osthäuser Bauern nehmen die arme Frau gutherzig auf, begraben ihren Gemahl in geweihter Erde und helfen ihr weiter nach Osten fort. Wo sie geblieben, darüber ist alle Kunde verschollen, aber zum Danke hat sie den Osthäusern und den Bauern der andern Dörfer, die ihr Obdach und Hilfe gewährt, Waldungen geschenkt auf ewige Zeiten. So ist es gekommen, dass Osthausen und die meisten Dörfer von da nach Tannroda und Kranichfeld hin Gemeindewaldung bis auf den heutigen Tag haben, nur Riechheim nicht, obgleich es fast im Holze liegt.

Noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts war es Brauch, dass die erwachsenen männlichen Einwohner jener Dörfer alljährlich an einem bestimmten Tage gemeinschaftlich auf einen nahen Berg, der Königsstuhl genannt, zogen, um das Andenken an ihre frühere Gemeinschaft zu erneuern.

Quellen: