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Der Wihbrunnen (Weihbrunnen ) bei Tieffurt

  Nach mündlichen Erzählungen.

Zwischen Tieffurt und Crommsdorf befindet sich eine Quelle, die sogleich in die Ilm fällt. An einem Markttage gingen zwei Bauerweiber von Weimar zurück nach Crommsdorf. Es war schon die Dämmerstunde gekommen. Da sahen die beiden Marktfrauen an dieser Quelle, welche der Wihbrunnen genannt wird, ein wunderschönes Kind sizen, welches etwa 11½ Jahr alt ist. Die beiden Frauen fragten es aus, aber das Kind redete nicht verständlich, so dass sie gar nichts von ihm erfahren konnten. Weil es aber schon dunkel wurde und Niemand sich sehen liess, der das Kind abgeholt hätte, so nahmen es die Frauen mit und übergaben es dem Geistlichen des Orts, der mit seiner Frau schon bejahrt war und selbst keine Kinder hatte. Dieser nahm das Kind gern bei sich auf und war in aller Weise auf eine gute Erziehung desselben bedacht. Indess war es merkwürdig, dass das kleine Mädchen so gern im Wasser spielte und darin patschelte; doch geschah ihm nie ein Leid. Fiel es auch einmal in den Teich oder selbst in die Ilm, so trugen die Wellen es sanft ans Ufer und munter sprang es wieder fort. Erschienen die hohen Festtage, Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Michaelistag, so bekam das Kind jedesmal in der Nacht von einer vornehmen Dame, die aber so schnell wieder verschwand als sie gekommen war, Spielsachen, Kleider und Backwerk.

Wenn man fragte, wie die Dame ausgesehen habe, sagte es, sie sei in einen weissen Schleier gehüllt gewesen. Das Kind war aber gut, spielte gern mit den Dorffindern und unterrichtete sie. Alle Leute hatten es lieb und nannten es die gute Pastorstochter. Aus einem geringen Stande konnte sie nicht sein, das zeigte ihr Gesicht und ihr Gebahren. Ihren Pflegeältern war sie stets folgsam, nur wenn sie mit ihnen ausging und an dem Brunnen vorbei kam, achtete sie nicht auf ihre Worte sondern tanzte allemal um den Brunnen herum und that überhaupt als wäre ihr die grösste Freude widerfahren. Als aber der alte Pfarrer gestorben und das Mädchen zu Verwandten desselben gekommen war, begab es sich bald in einen verbotenen Umgang und entfloh, um sich keine Schande und den Verwandten keinen Verdruss zu bereiten. Merkwürdiger Weise ward die Pastorstochter an dem Weihbrunnen wiedergefunden. Hier sah sie beständig ins Wasser oder sie tanzte und hüpfte um den Brunnen herum und gebehrdete sich dabei als wenn sie mit Jemand spreche; wenn aber die vorübergehenden Leute sie grüssten, dankte sie stets recht freundlich. Eines Morgens aber war sie wieder verschwunden und einige Zeit darauf fand man im Brunnen ein neugebornes Kind, welches nach der Leute Glauben und Vermuthen der guten Pastorstochter gehört hatte. In den Fasten und in der Adventszeit liess sich dann jedes Jahr an der Quelle ein stetes Wehklagen und Wimmern hören und eine Lichtgestalt ging an der Quelle auf und ab. Kam Jemand in die Nähe der Quelle, so wurde er irre geführt, auch glaubte man noch lange Zeit, dass böse Menschen dort Strafe erhielten, weshalb die Leute in der Umgegend, welche nicht auf Berufswegen gingen und nicht reines Herzens waren, des Abends den Ort mieden.

Von demselben Brunnen erzählt man auch folgende Geschichte. Es war einmal ein roher, schlechter Mensch, der weder das dritte und vierte, noch das siebente und achte Gebot kannte. Des Sonntags lief er schon früh in die Schenke und spottete derer, die in der Kirche waren. Er mishandelte seine Eltern und stahl, wo er etwas stehlen konnte. Einige seiner Freunde hatte er durch falsche Beschuldigung und ungerechte Aussagen um Geld und Gut oder sonst ins Verderben gebracht. Dieser Bösewicht war einmal an einem Wintertage in Tieffurt gewesen und wollte Abends wieder nach Crommsdorf, seinem Heimathsort, zurückgehen. Sein Weg führt ihn am Brunnen vorüber und plösslich muss er stehen bleiben und kann weder vorwärts noch rückwärts einen Fuss bewegen. Da fällt ihm ein, dass hier der Play sei, wo die Bösen verderben und er stösst gottlose Flüche und Verwünschungen aus, ruft auch, so laut er kann, um Hilfe, aber die Bauern, die ihn erkennen, eilen aus Schrecken und Angst zurück und lasszen ihn in seiner Noth stecken. Am andern Morgen wird er tødt an der Stelle gefunden und das Blut strömt ihm noch aus Mund und Nase heraus, als sei er eben erwürget worden. Rings um ihn herum war der Schnee wie auf einer Tenne fest getreten.

Zu einer andern Zeit ging Abends von Crommsdorf nach Tieffurt ein Mädchen mit einem Kind unter ihrem Herzen zu einer Freundin auf Besuch. Da sie aber die Nacht über nicht wieder nach Hause kömmt, gehen am andern Morgen die Angehörigen aus sie zu suchen. Da finden sie zuerst ihren Hut, nicht weit davon die Schürze und am Wihbrunnen liegt die Leiche des Mädchens, aber so zerfesst und zerrissen, dass man sie kaum wieder erkennt. Auch liegt das Kind todt neben ihr.

Noch lange Zeit darauf sah man an dem Brunnen drei Lichter brennen, das der Pastorstochter, des Knechtes und des Mädchens, auch hörte man Wehflage, Aechzen und Wimmern. Viele Leute sind an dieser Stelle schon irre geführt worden und Jedermann weiss, dass es am Wihbrunnen nicht geheuer ist.

Quellen: