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Die Lindwürmer bei Apolda

  Allgem. thür. Vaterlandskunde. Erf. 1823. S. 174. 238 .
  Jen. wöchentliche Anzeigen. 1828. Nr. 39.

An der rechten Seite der Kirche zu Apolda, an der sogenannten. Vorstädter Seite, einige Fuss hoch über der Erde ist ein noch gut gehaltener Stein eingemauert, worauf zwei einander gegenüber liegende Ungeheuer, die einen Menschenkopf in ihrer Mitte in die Höhe halten, abgebildet sind. An diesen Stein ist folgende Sage geknüpft.

Wo jetzt das Dorf Schöten bei Apolda liegt, wogte ehemals ein grosser Teich, überall mit Schilf bedeckt. Darin lagen zwei Lindwürmer, ein Männchen und ein Weibchen, die der umliegenden Gegend großen Schaden, besonders den Viehheerden, zufügten. Die Herren von Apolda, denen damals die ganze Gegend gehörte, wendeten alles an, die beiden Unthiere aus der Welt zu schaffen, aber vergebens, es wollte ihnen nicht gelingen.

Da geschah es, dass ein Knecht und eine Magd dieser Herren sich vergingen und das Mädchen ihre Unschuld verlor, was damals sehr hart bestraft wurde. Der Tod war beiden gewiss. Doch sollte ihnen das Leben geschenkt sein, wenn sie die Lindwürmer in dem Schilffumpfe aus dem Wege räumen würden. Sie entschlossen sich zu dieser That und mussten das Loos werfen. Obgleich nun das Loos zuerst die Magd traf, so übernahm es doch zunächst ihr Liebhaber sich der Gefahr des Kampfes mit den Lindwürmern auszusessen. Mit Spiess und Schwert bewaffnet eilte der Knecht muthig und beherzt nach dem Sumpfe. Hoch stand die Sonne am Himmel, es war gerade zur Mittagszeit am Johannistage und die beiden Ungeheuer lagen, die Schwänze in einander geschlungen am Ufer sich zu sonnen. Langsam schlich sich der Kämpfer heran und hieb mit einem Streiche beide Schwänze ab. Ein schwarzer Blutstrom quoll aus den Leibern der Lindwürmer, beide aber waren tødt, denn in den Schwänzen war ihr Leben.

Zum Andenken an diese That wurde dort ein Brunnen gefasst, mit einer eisernen Kelle zum Trinken versehen und in einen Stein zwei Lindwürmer mit verschlungenen Schwänzen gehauen. Dieser Stein wurde zunächst an dem Brunnen angebracht, später kam er nach Apolda in die Kirchhofsmauer, wurde aber nachher in die Mauer der Kirche selbst eingesetzt. Der Brunnen neben einem kleinen, mit Steinen eingefassten Teiche ist noch vorhanden und daran hängt an einer Kette die eiserne Kelle, das Wahrzeichen des Dorfes Schöten, im Munde des Volks Schütten genannt, das nach und nach an der Stelle des grossen, verschütteten Sumpfes entstanden ist. Auch wurde jährlich am Johannistage ein feierlicher Umzug gehalten und dabei aus dem Brunnen mit dem eisernen Löffel getrunken. Bei diesem Umzuge pflegte man sonst einen Burschen ganz in Laub zu kleiden und mit Kornblumen und Kränzen zu schmücken, in seiner Hand trug der Laubmann ein mit Blumen umwundenes Schwert zur Erinnerung an den siegreichen Kampf mit den Lindwürmern. Als aber im Jahre 1768 ein furchtbares Hagelwetter die Feldfrüchte auf der Flur von Schöten gänzlich vernichtete, soll der damalige Pfarrer diesen bisher üblichen Umzug abgestellt haben. Seit jener Zeit feierte nur die Schuljugend noch den Johannistag. Festlich gekleidet, in der Hand einen langen weissen, blumenumwundenen Stab mit einem Kreuze, woran ein schöner Kornblumenkranz hing, zogen die Kinder geistliche Lieder singend von Haus zu Haus. Der Brunnen war mit Blumen geschmückt. Bei ihrem Umzuge erhielten die Kinder von den Ortsbewohnern Geld, Eier, Semmeln und andere Victualien, wovon sie sich des Nachmittags ein kleines Fest bereiteten.

Quellen: