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Ein Mönch verschafft der Unstrut einen Durchbruch

  Thuringia. 1843. S. 347

Vor mehr als tausend Jahren soll der Thalkessel der Unstrut ein grosser, tiefer See gewesen sein. Lange habe man darüber nachgedacht, wo und wie man für das Wasser einen Abfluss gewinnen könne, aber alles Nachdenken habe keinen Ausweg gezeigt. Da sei es geschehen, dass ein Mönch, der das Gelübde der Keuschheit leichtsinnig gebrochen hatte, zur gerechten Sühne dieses Verbrechens habe lebendig eingemauert werden sollen. Das Urtheil wurde von den strengen, geistlichen Richtern gesprochen und sollte Tags darauf vollstreckt werden. Kurz vor der Vollstreckung liess der zum Tode verurtheilte Mönch den Abt bitten noch einmal seine Beichte anzuhören. Der Abt gewährte die Bitte. Da soll nun der Mönch sich erboten haben, unter der Bedingung, dass man ihm das Leben schenke, dem See einen Durchbruch zu verschaffen. Nachdem sämmtliche Klöster dieser Gegend die Sache in Erwägung gezogen, kam man überein, dass ihm die Strafe erlassen werden solle, wenn er für sich allein, ohne alle menschliche Hilfe, den Abfluss bewerkstellige. Der Mönch untersuchte nun jeglichen Ort ganz genau, aber keiner eignete sich dazu. Endlich kam er auch unterhalb Memleben; hier schien der Durchbruch weniger schwierig zu sein, weil sich jenseits des felsigen Berges das Land immer mehr abflachte und er ging daher rüstig an das ungeheure Riesenwerk, das übermenschliche Kraft und Ausdauer erforderte. Einige Fuss tiefer als der Wasserstand des Sees fing er an eine Höhle durch den Felsen zu arbeiten und als er sie nach langer Zeit und Anstrengung glücklich zu Stande gebracht hatte, leitete er durch Gräben das Wasser bis an den Fuss des Berges. Nun schoss es in die Höhle hinab und bahnte sich nach und nach einen immer breitern und tiefern Weg und riss mit der Zeit auch die darüber liegenden Felsmassen mit sich fort.

So erzählt die Sage, schweigt aber von den fernern Schicksalen des Mönchs und setzt nur hinzu, der Böse habe seine Hand zur Dienstleistung dargeboten.

Quellen: