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Der Zwerg und die Wunderblume

  Otmar Volkssagen. Bremen 1800. S. 147 ff.
  Büsching Volkssagen S. 325 ff.
  Grimm deutsche Sagen I, Nr. 303.

Ein Schäfer aus Sittendorf trieb einst am Fusse des Kyffhäusers. Er war ein hübscher Mensch und mit einem guten, aber armen Mädchen verlobt. Doch weder er noch sie hatten ein Hüttchen oder Geld ihre Wirthschaft einzurichten. Traurig stieg er den Berg hinan, es war ein schöner Tag, aber je höher er kam, je mehr verlor sich seine Traurigkeit. Bald hatte er die Höhe des Berges erreicht, da fand er eine wunderschöne Blume, dergleichen er noch nie gesehen hatte. Die pflückte er und steckte sie an seinen Hut, um sie seiner Braut mitzunehmen. Oben auf der Burg findet er ein offenes Gewölbe, dessen Eingang nur etwas verschüttet war. Er geht hinein und findet viele kleine, glänzende Steine auf der Erde liegen und steckt soviel ein, als seine Taschen fassen können. Nun wollte er wieder ins Freie, da rief ihm eine dumpfe Stimme zu: „ vergiss das Beste nicht!„ Er wusste nicht, wie ihm geschah und wie er wieder herauskam aus dem Gewölbe. Kaum sah er wieder die Sonne und seine Heerde, so schlug die Thüre, die er vorher gar nicht gesehen hatte, hinter ihm zu. Er fasste nach seinem Hute und die wunderschöne Blume, die er seiner Braut hatte geben wollen, war fort; sie war herabgefallen beim Stolpern. Urplöglich stand vor ihm ein Zwerg: „wo hast du die Wunderblume, die du fandest?“ „Verloren,“ sagte traurig der Schäfer. „Dir war sie bestimmt,“ sprach wieder der Zwerg, und sie ist mehr werth, als die ganze Rotenburg.

Traurig geht der Schäfer am Abend zu seiner Braut und erzählt ihr die Geschichte von der verlorenen Wunderblume. Beide weinen, denn Hüttchen und Hochzeit waren nun wieder auf lange Zeit verschwunden. Endlich denkt der Schäfer an seine Steine und wirft sie scherzend seiner Braut auf den Schoss und siehe es waren lauter Goldstücke. Sie kauften sich nun ein Hüttchen und ein Stück Acker dazu und in einem Monat waren sie Mann und Frau.

Die Wunderblume ist verschwunden und wird von den Bergleuten noch bis auf den heutigen Tag gesucht und in den Gewölben des Kyffhäusers nicht allein, sondern auch, da verborgene Schässe rücken, auf der Quästenburg und selbst auf der Nordseite des Harzes.

Quellen: