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Das Zimmer des Gebannten

  Thuringia. 1842.. 780.

Der St. Jacobskirche in Sangerhausen gegenüber liegt am Markte ein stattliches Haus. Wer es suchen will, wird es an den zwei Linden erkennen, die an seinem Eingang stehen. Gerade vor so viel Jahren als die Linden gepflanzt sind, erschlug in dem obersten Eckzimmer dieses Hauses ein Sohn seinen Vater. Bald nach der That liess die Familie des Ermordeten das Zimmer fest verwahren, damit es nie wieder bewohnt würde. Und wie damit gewissermassen ein Fluch über das Gemach ausgesprochen war, so fing derselbe nun auch an auf den Geist der Thäters zu wirken. Denn sobald Niemand mehr das Zimmer betreten konnte, so schien es, als wäre ein böser Geist in dasselbe eingezogen. Oft entstand ein heftiges Poltern, dass man es selbst im Keller hören konnte. Ein späterer Besizer des Hauses liess das Gemach wieder einmal öffnen, den Grund des Lärmens zu untersuchen. Aber man denke sich den Schrecken der Leute, als sie die Gestalt des Mörders im Zimmer auf- und abgehen sahen. Entsezen trieb sie von der Thür hinweg und die Furcht, der Geist möchte vielleicht aus seinem Bannkreisse heraustreten, bestimmte sie, das Zimmer wieder fest zu verschliessen. Man hat nachher mehrmals noch das Zimmer geöffnet und zu betreten versucht, aber immer derselbe Anblick und dasselbe Entsetzen. Diese Sage erzählten vor nicht gar langer Zeit noch alle Leute in Sangerhausen. Jezt soll das Zimmer des Gebannten für Jedermann zugänglich sein.

Quellen: