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Von der Saalnixe

  Schriftl. Mittheilung von Herrn Archivsecretär K. Aue in Weimar

1 . Vor einigen Jahren ging in Jena die Sage, dass einer der Fischer auf den Kuniger Wiesen zwei Nixen in weissen Kleidern und langen gelben Haaren und bei ihnen einen Knaben mit spitzer Mütze gesehen habe.

2. Ein Fischer in Jena behauptete immer, dass wenn er so viele Thaler hätte als er die Nixe gesehen, er ein reicher Mann sei; sie habe sich ihm zu jeder Tageszeit in verschiedener Kleidung und Gestalt gezeigt. Gewöhnlich geschah es auf dem Wasser. Fuhr er den Fluss auf oder ab, so war sie bald vor, bald hinter ihm, singend und plätschernd, meist in weissem Kleide und mit einem Schilfkranze auf dem Haupte. Zuweilen hatte sie schwarzes Haar, in der Regel gelbes. Er enthielt sich aller Rede und alles Fluchens, wenn er den Flussgeist sah und so konnte er ihm nichts anhaben. Mitunter sah er die Nixe an dem Ufer Wäsche trocknen und kaum hatte er dies gesehen, so plätscherte und sang sie in dem Wasser.

3. Die Tochter eines andern Fischers spielte als Kind in dem Paradise an dem Ufer der Saale. Sie sah Blumen an dem Rande des Wassers und bog sich vor sie zu pflücken, wobei sie wahrscheinlich in den Fluss gefallen wäre, wenn nicht plötzlich eine junge Frau in städtischer Kleidung zwischen ihr und dem Wasser gestanden und sie mit dem Finger bedroht hätte. Die Gestalt verschwand sogleich. Es war die Nixe.

4. Ein Mädchen, das elternlos bei fremden Leuten lebte, die es übel behandelten, beschloss sich zu ertränken und ging zu dem Ende in das Paradis. Sie ward aber von der Ausführung ihres Vorhabens durch hin und her gehende Leute abgehalten. Daher hielt sie für das beste in das dort befindliche Badegehege zu steigen, wo sie unbemerkt den Abend erwarten und von diesem begünstigt ihr Vorhaben ausführen könnte. Es war schon dämmerig, als sie sich dahin begab. In dem Gehege lag sie auf der Bank. Da trat eine junge Frau in der Kleidung höherer Stände zu ihr heran und bat sie beweglich von ihrem verderblichen Vornehmen abzustehen. Sie bekämpfte das Mädchen mit den Gründen der Religion, und als ihr jenes Folge versprochen, verschwand sie. Da das Gehege, verschlossen wie es war, nur erklettert oder durch Schwimmen von der Saale her erreicht werden konnte, dies aber dem Mädchen nicht entgehen konnte, es aber nichts davon gesehen oder gehört hatte und die Besucherin zudem endlich verschwand, so musste es die Nixe sein, die in verschiedenen Gestalten einher geht.

5. Es hielt sich einmal ein Maler in Jena auf, der die seltsame Absicht hatte, die Nixe kennen zu lernen und deshalb Abends in dem Paradise an dem Ufer hin und her ging, die Nixe durch Weisen auf der Gitarre lockend, von denen man wohl wusste, dass sie der Nixe eigen wären. So that er auch einmal, begleitet von einem in Jena heimischen Maler, der einige Schritte vor ihm herging. Dem fremden Maler kam eine Furcht an, er sah sich um und sah die Nixe in ihrer Schöne hinter ihm kommen. Von Schrecken überwältigt floh er an dem andern vorüber nach der Saale zu, wo er verschwand. Der andere rief und suchte ihn vergebens, eben so andere Leute, die bald dazu kamen. Sie eilten zu dem nahe wohnenden Fischer, der mit seinem Sohne sogleich zu suchen begann, aber denselben Abend nichts fand; erst am folgenden Tage sahen sie an dem obern Ende des Paradises nahe dem Ufer einen Gegenstand gleich einem Hühnerkorbe. Sie ruderten dahin und wurden gewahr, dass es die von dem Wasser ausgebreiteten langen Haare eines auf dem Grunde stehenden Menschen waren. Sie zogen ihn heraus; es war der Maler.

6. Die Frau dieses Fischers ging einmal durch den hinter ihrem Hause liegenden Garten an das Ufer, ihre Wäsche zu läutern. Mit Schrecken sah sie in geringer Entfernung unter dem Wasser ein weissgekleidetes Weib mit greulichen schwarzen Augen und dunklen Haaren sitzen. Sie entfernte sich, kam aber bald wieder und begann ihre Arbeit. Die Nixe blieb und verschwand erst lange nachher.

7. Ein Fleischer badete sich einmal bei der Schneidemühle, wo man sich eigentlich nicht baden darf. Er war schon einmal von dem Paradise aus bis zur Schneidemühle geschwommen und kehrte nun wieder um. In der Mitte des Flusses ward er bei den Füssen fest gehalten und diese unter das Wasser gezogen. Er rief um Hilfe und einige weiter unten badende Leute schwammen heran. Sie ergriffen ihn und versuchten durch gemeinsame Anstrengung ihn los zu machen. Dies gelang endlich und nun sah man an den Beinen den mit Blute unterlaufenen Abdruck zweier grosser Krallen. Die Nixe hatte ihn nieder zu ziehen gestrebt.

8 . Wenn sich Jemand in der sogenannten Paradissaale ertränket, höret der anwohnende Fischer Abends von der Stimme des Ertrunkenen unter seinen Fenstern seinen Namen rufen. Man hat das oft bemerkt, wenn bekannte Leute sich dort in dem Flusse den Tod gegeben hatten.

9 . Ein Seiler aus Lobeda kam von Jena nach Hause. Als er auf der Brücke war, die von Lobeda über die Saale führt, sah er den Fluss abwärts ein wunderschönes nacktes Weib mit langen gelben Haaren gegen die Brücke schwimmen. Singend und plätschernd nahte sie dem Wehre und als sie es erreicht hatte, verschwand sie.

10. Ein vornehmer Mann ging an der Saale hin von Jena nach Drakendorf. Da erhob sich an einer gewissen Stelle des Flusses eine weibliche Gestalt wie die eben beschriebene mit halbem Leibe aus dem Wasser und winkte ihm, er aber ging seines Weges.

In dem Jahre 1804 soll bei einer für das weimarische Land wichtigen Begebenheit die Nixe der Saale bei hellem Tage in dem Paradise gelustwandelt und viele Leute sie gesehen haben.

11 . Es ist eine allgemein bekannte Sage, dass die Nixe der Saale jedes Jahr an einem bestimmten Tage ihr Opfer haben wolle. Darum vermeiden die Anwohner des Flusses an diesem Tage zu baden; namentlich unterlassen es die Fischer zu derselben Zeit ihrem Gewerbe nachzugehen. Schon Mancher, der dieses nicht glauben wollte und darum nicht beachtet hat, musste seinen Vorwitz mit dem Tode im Wasser büssen.

Quellen: