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Perchtha untersucht die Rockenstuben

  Grimm Mythol. 3 Asgbe. S. 255.
  Börner Volkssagen aus dem Orlagau S. 153–167.

Nachts vor dem heiligen Dreikönigtag untersucht Perchtha in dem ganzen Orlagau die Rockenstuben, bringt den Spinnerinnen leere Spulen mit der Weisung, dass dieselben in einer bestimmten sehr kurzen Frist vollgesponnen sein müssen und bestraft, wenn die geforderte Arbeit nicht geliefert werden kann, mit Verwirrung und Verunreinigung des Flachses. Auch schneidet sie bei dieser Gelegenheit allen, die an diesem Tage nicht Zemmede gegessen haben, den Leib auf, nimmt die genossene anderartige Speise heraus und füllt den leeren Raum mit Wirrbüscheln und Backsteinen an, zuletzt näht sie den Leib wieder zu, wobei sie sich statt der Nadel einer Pflugschar, statt des Zwirns einer Röhmkette bedient.

Zu Oppurg traf Perchtha bei ihrem jährlichen Umzuge in jener Nacht einmal die Spinnstube voll schäfernder Gäste an. Hocherzürnt darüber reichte sie zwölf leere Spindeln oder Spulen durch das Fenster, die in einer Stunde bis zu ihrer Wiederkehr vollgesponnen sein sollten, und droht ernstlich mit Strafe, wenn es nicht geschehen sei. In banger Erwartung der angedrohten Strafe und unter vergeblichem Sinnen, wie dieselbe zu vermeiden sei, verstreicht eine Viertelstunde nach der andern, da springt ein keckes Mädchen auf den Dachboden, langt einen Wickel Werrig und umwickelte die leeren Spulen, dann überspannen die Mädchen das Werrig zu ein, zwei bis dreimalen, so dass die Spulen voll schienen. Als Perchtha zurück kam, überreichte man ihr die gefertigte Arbeit und kopfschüttelnd zog sie damit ab.

Zu Langendembach war eine alte Spinnfrau, die im ganzen Winter so fleissig spann, dass sie allen Mädchen und Frauen zum Muster dienen konnte. Selbst am Abende vor dem Dreikönigsfeste setzte sie nicht aus, obwohl Sohn und Schnur warnend sagten: „wenn Perchtha kommt, es wird euch übel gehen.“ „Ei was,“ gab sie zur Antwort, „Perchtha bringt mir keine Hemden, ich muss sie selbst spinnen.“ Nach einer Weile wird das Fenster aufgeschoben, Perchtha schaut in die Stube und wirft ihr eine Menge leerer Spulen zu mit der ernsten Weisung dieselben voll zu spinnen, sonst werde es ihr schlimm ergehen, wenn sie nach einer Stunde wiederkomme. In ihrer Angst und Noth fasste sich die Spinnerin ein Herz, spann in aller Eile einige Reifen auf jede Spule und warf die Spulen insgesamt in den Bach, der an dem Hause vorüberfloss. Dadurch mag Perchtha versöhnt worden sein, wenigstens erzählt die Sage nichts von einer Bestrafung der alten Spinnfrau.

Quellen: