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Die Roggenmutter

  Prätorius Weltbeschreibung I, 125 f.
  Grimm deutsche Sagen I, Nr. 89. S. 146 .

Ein Edelmann bei Saalfeld hat einmal zur Erntezeit eine Sechswöchnerin von seinen Unterthanen gezwungen auf dem Felde mit zu helfen und das Korn in Garben zu binden. Die Frau nimmt ihr kleines Kind mit sich hinaus und legt es auf den Acker, um mit den andern Leuten desto hurtiger binden zu können. Ueber eine Weile sah der Edelmann, der bei seinen Leuten auf dem Felde war, dass ein Erdweib mit einem andern Kinde kam, dasselbe mit dem hingelegten Kinde der Bäuerin vertauschte und dann wieder wegging. Bald hub das fremde Kind an zu schreien und die Mutter kam herbeigelaufen, ihr vermeintes Kind zu stillen. Da hat ihr der Edelmann gewehrt und sie zurückbleiben heissen, er wolle ihr schon sagen, wenn es Zeit wäre. Die Frau fügte sich mit schwerem Herzeleid, denn sie meinte, der Edelmann wolle es so haben der fleissigen Arbeit wegen. Das Kind schrie unterdessen unaufhörlich fort, da kam die Roggenmutter wieder, nahm ihr weinendes Kind zu sich und legte das gestohlene wieder an seinen Ort. Nachdem der Edelmann das alles mit seinen Augen selber gesehen hatte, rief er die Mutter herbei und hiess sie flugs nach Hause gehen. „Von nun an,“ sprach er„,will ich nimmermehr eine Kindbetterin hinausjagen und zu Diensten zwingen.“

Quellen: