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Das verwünschte Schloss auf dem Singerberge - Dritte Sage

  Mündlich

Ein Raubritter auf dem Singerberge lebte mit dem Abte in Paulinzelle in beständiger Feindschaft und grossem Unfrieden, so dass es an Reibungen und Feindseligkeiten aller Art zwischen beiden nicht fehlte. So hatte der Abt, von dem Ritter vielfach geschädigt, den Brunnen am Fusse des Singerberges dergestalt verwünscht und verflucht, dass ein jeder, welcher daraus trank, Läuse bekam. Darum heisst er noch heute der Läuseborn und die Leute in der Umgegend hüten sich wohl daraus zu trinken.

Nicht lange nachher hatte der Ritter auf dem Singerberge durch seine Kundschafter in Erfahrung gebracht, dass einige Fuhren guten Weins für das Kloster unterwegs seien. Diese Nachricht war ihm sehr willkommen. Ungesäumt legt er sich mit seinen Leuten nahe der Strasse in einem Wäldchen bei Gösselborn, da wo es noch jetzt „zur Maleiche“ genannt wird, in einen Hinterhalt und lauert auf die mit Wein beladenen Wagen. Spät in der Nacht kommt der schwere Wagenzug herangefahren; die schwache Bedeckung wird von den hervorbrechenden Raubgesellen leicht niedergeworfen, zum Theil in die Flucht gejagt und die Fuhrleute müssen den Wein auf den Singerberg fahren, anstatt ins Kloster Paulinzelle.

Dem Abte in Paulinzelle ist dieser Weinraub ein schmerzlicher Verlust, vorzüglich aber beunruhigt ihn, dass ein Fass mit ganz besonderm Inhalte in die Hände des Singerbergers gekommen ist, und gar viel ist ihm daran gelegen zunächst dieses Fass wieder ausgeliefert zu erhalten. Er sucht daher mit guten Worten und Versprechungen den Ritter zu gewinnen ihm einige Fässlein gegen eine gute Auslösung zurückzugeben, namentlich aber bezeichnet er ein Fass ganz genau und bittet dringlich um dessen Auslieferung; da es einen besonders stärkenden, seinem Alter und seiner Leibesschwäche unentbehrlichen Wein enthalte.

Der Ritter ist der Bitte des Abts nicht unzugänglich und sagt ihm die Rückgabe des so lebhaft begehrten und sorgsam bezeichneten Fasses zu. Vorher aber gedenkt er demselben eine kleine Probe zu entnehmen, den stärkenden Magenwein des frommen Abts wenigstens zu kosten und seine Vortrefflichkeit kennen zu lernen. Der Zapfen wird eingestossen, aber kein Tröpflein entquillt dem Fasse und man findet, dass es in seinem Bauche durchaus trocken und weinleer ist, gewisse Anzeichen deuten auch auf einen ganz andern Inhalt. Das seltsame Fass wird also geöffnet und siehe da, eine wunderschöne Maid steigt aus dem hölzernen Häuschen ans Tageslicht.

Der Ritter und sein Hofgesinde jubeln laut auf über diese herrliche Entdeckung und auf den nächsten Tag — es war das gerade der Johannistag werden alle Nachbarn und guten Freunde zu einem fröhlichen Schmause und Trinkgelage auf den Singerberg eingeladen, der Tag soll in besonderer Freude und Ausgelassenheit gefeiert werden. Die Kunde von der Oeffnung des Fasses und der darob veranstalteten Johannisfeier war bald ins Kloster nach Paulinzelle gedrungen und hatte den Abt in gewaltigen Zorn versetzt. In seiner grossen Aufregung und Erbitterung verwünscht er am Johannistage zur Mittagsstunde das Schloss mit allen, die darin verweilen und ihm zum Hohn und Spott den Tag in so gottloser Weise begehen, mit einem kräftigen Fluche in den tiefsten Abgrund der Erde. Eine Vertiefung auf dem Berge zeigt die Stätte an, wo die Burg ehemals gestanden.

Man erzählt auch vom Singerberge, dass er grosse Wasserfluthen in seinem Innern bergen soll. In Sachsen, so geht die Sage, bete man, dass sein Inneres verschlossen bleibe, damit nicht eine zweite Sündfluth über Thüringen und Sachsen kommen möge.

Quellen: